Leitsatz (amtlich)

Für die Wirksamkeit der Anmeldung eines Anspruchs zur Eintragung in das Klageregister wegen eines vom Dieselskandal betroffenen Fahrzeuges sind die Angaben des Datums des Kaufvertragsabschlusses und der Fahrzeugidentifikationsnummer nicht erforderlich.

 

Normenkette

ZPO § 608 Abs. 2 S. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 4 O 188/20)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 14.05.2021 - 4 O 188/20 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 35.127,14 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.11.2020 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges Audi Q5 2.0 mit der Fahrgestellnummer A zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 7 % und die Beklagte zu 93 %. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen der Kläger zu 8 % und die Beklagte zu 92 %.

Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger erwarb im Juni 2013 von der Fa. B GmbH & Co. KG einen Audi Q5 2.0 zu einem Kaufpreis von 49.983 EUR brutto. Das Fahrzeug wurde von der Audi AG, einem Tochterunternehmen der Beklagten, hergestellt. In ihm ist der durch die Beklagte entwickelte und produzierte Dieselmotor EA 189 verbaut. Bei Übergabe wies das Fahrzeug einen Kilometerstand von 5 km auf. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2022 betrug die Laufleistung des Fahrzeuges 89.169 km.

Der Motor EA 189 stand in Verbindung mit einer Software, die die Stickstoff-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren optimierte. Das Motorsteuerungsgerät ermöglichte dabei zwei Betriebsmodi bei der Abgasrückführung: einen Stickstoff-optimierten Modus 1 mit einer relativ hohen Abgasrückführungsrate und einen Partikel-optimierten Modus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer war. Die Software des Motorsteuerungsgerätes verfügte über eine Fahrzykluserkennung, die erkannte, ob sich das Fahrzeug im üblichen Straßenverkehr oder auf einem technischen Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte befand. Während des Prüfstandtests spielte die eingebaute Software beim Stickstoff-Ausstoß Modus 1 ab, wodurch geringere Stickoxidwerte erzielt und die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte eingehalten wurden. Unter realer Fahrbewegung im Straßenverkehr wurde das Fahrzeug im Abgasrückführung-Modus 0 betrieben.

Nach Bekanntwerden des Einsatzes des in der Öffentlichkeit als "Manipulationssoftware" bezeichneten Motorsteuerungsprogrammes in verschiedenen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns legte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) den Herstellerinnen im Herbst 2015 auf, die Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen. Das entsprechende Softwareupdate ließ der Kläger aufspielen.

Der Kläger meldete im Jahr 2018 beim Bundesamt für Justiz Ansprüche gegen die Beklagte zu der im Klageregister öffentlich bekannt gemachten Musterfeststellungsklage beim Oberlandesgericht Braunschweig an. Zu "Gegenstand und Grund" gab der Kläger folgendes an:

"Mein Fahrzeug - Audi Q5 Baujahr 12/2013 - ist vom 'Dieselskandal' betroffen. Das Fahrzeug ist nach Euronorm 5 zugelassen. Ein Softwareupdate wurde vom Hersteller bereits durchgeführt. In Zukunft werde ich in bestimmten Städten und Stadtautobahn C in bestimmten Bereichen mit meinem Fahrzeug nicht mehr fahren dürfen."

Wegen der weiteren Einzelheiten der Anmeldung wird auf das Schreiben des Bundesamts für Justiz vom 27.08.2020 (Bl. 98 f d.A.) Bezug genommen.

Die Musterfeststellungsklage beim Oberlandesgericht Braunschweig wurde am 30.04.2020 zurückgenommen.

Mit seiner am 30.10.2020 eingegangenen und am 24.11.2020 zugestellten Klage hat der Kläger die Beklagte auf Rückabwicklung des Kaufvertrags in Anspruch genommen. Sie hafte ihm gegenüber wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB. Der Anspruch sei nicht verjährt. Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen habe er jedenfalls nicht vor Ablauf des Jahres 2016 gehabt. Zudem sei ihm eine Klageerhebung bis zur Entscheidung des BGH vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19) unzumutbar gewesen, weil die Rechtslage unsicher und zweifelhaft gewesen sei. Sollten Ansprüche verjährt sein, stehe ihm zumindest ein Anspruch aus § 852 BGB zu.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 49.983 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 11.857,99 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges Audi Q5 2.0 mit der Fahrgestellnummer ... z...

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