Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum gewerblichen Ausmaß beim Angebot urheberrechtlich geschützter Werke in sog. Tauschbörsen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Angebot eines einzelnen urheberrechtlich geschützten Werks im Internet in einer sog. Tauschbörse kann das geschützte Recht in einem gewerblichen Ausmaß verletzen.

a) Ein gewerbliches Ausmaß kann sich zunächst aus dem hohen Wert des angebotenen Werks ergeben.

b) Es kann auch ausreichen, dass eine hinreichend umfangreiche Datei wie ein vollständiger Kinofilm, ein Musikalbum oder ein Hörbuch innerhalb ihrer relevanten Verwertungsphase öffentlich zugänglich gemacht wird.

c) Die relevante Verwertungsphase ist für Werke der Unterhaltungsmusik auf sechs Monate zu bemessen. Bei Hörbüchern, Hörspielen und ähnlichen nicht besonders aktualitätsbezogenen Werkgattungen können dagegen längere Verwertungsphasen anzunehmen sein, ohne dass ein zeitlichen Rahmen festgelegt werden kann.

d) Nach Ablauf der 6-Monats-Frist bei Werken der Unterhaltungsmusik bedarf es besonderer Umstände, um ein Fortdauern der relevanten Verwertungsphase annehmen zu können, wie etwa ein fortdauernder besonders großer kommerzieller Erfolg des Werks. Für Musikalben ist insoweit eine Platzierung in den TOP 50 der Verkaufscharts der Musikindustrie zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung als ausreichend anzusehen.

e) Gegen ein Andauern der relevanten Verwertungsphase spricht es dagegen, wenn das Werk zu Ausverkaufspreisen verramscht wird. Hierfür genügen aber nicht Preisschwankungen, wie sie sich etwa durch Sonderangebote ergeben können.

2. Bei Filmwerken ist für den Beginn der relevanten Verwertungsphase nicht auf den Kinostart, sondern auf den Verkauf der DVD abzustellen.

Der Beschluss ist rechtskräftig

 

Normenkette

UrhG § 101 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 21.09.2010; Aktenzeichen 203 O 171/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Köln - 203 O 171/10 - vom 21.9.2010 abgeändert:

Die Verwendung von Verkehrsdaten zur Erteilung der Auskunft, welchen Nutzern die in der Anlage Ast 1 zum Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Köln vom 14.6.2010 - 203 O 171/10 - aufgeführten IP-Adressen lfd. Nr. 67 bis 168 (betreffend das Werk "Horst Schlämmer - Isch kandidiere!") zu den dort genannten Zeitpunkten zugeordnet waren, ist zulässig.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin zur Hälfte; die außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten selbst.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Das LG hat zu Recht und mit zutreffender Begründung den Antrag auf Anordnung der Zulässigkeit der Verwendung von Verkehrsdaten hinsichtlich derjenigen IP-Adressen, von denen aus das Filmwerk "Männersache" angeboten worden ist, zurückgewiesen, weil insoweit ein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung i.S.d. § 101 Abs. 1 Satz 1 UrhG nicht festgestellt werden kann. Dagegen lag in dem Angebot des Filmwerks "Horst Schlämmer - Isch kandidiere!" eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß, so dass die Verwendung der Verkehrsdaten zulässig ist.

1. Die Gestattung gem. § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG setzt das Bestehen eines Auskunftsanspruchs nach § 101 Abs. 2 UrhG voraus. Dieser wiederum erfordert sowohl, dass der Auskunftsverpflichtete in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat (§ 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG), als auch, dass eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß vorliegt.

Das Angebot eines einzelnen urheberrechtlich geschützten Werks im Internet in einer sog. Tauschbörse kann das geschützte Recht in einem gewerblichen Ausmaß verletzen. Denn der Rechtsverletzer hat es - auch wenn sich sein Angebot nur auf einen kurzen Zeitraum beschränkt haben mag - nicht mehr in der Hand, in welchem Umfang das Werk weiter vervielfältigt wird. Gerade in der weiteren Vervielfältigung liegt aber der Sinn und Zweck sog. Tauschbörsen im Internet (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2009, 9, 11; MMR 2009, 334). Der Gesetzgeber hat jedoch - wie sich aus der Gesetzesentstehung ergibt (vgl. die Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/8783, 50) - bewusst nicht jede Rechtsverletzung für einen Auskunftsanspruch genügen lassen, sondern einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Rechte des Urhebers verlangt. Damit ist sichergestellt, dass die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die verfassungsrechtlich geschützten Rechte des Dritten (Art. 10 GG) durch die Erteilung der Auskunft gewahrt ist (vgl. Senat, Beschl. v. 26.7.2010 - 6 W 98/10).

Ein derart schwerer Eingriff kann sich zunächst daraus ergeben, dass ein Rechtsverletzer eine Vielzahl urheberrechtlich geschützter Werke öffentlich zugänglich macht. Dies lässt sich allerdings ohne die erst noch zu erteilende Auskunft des Internetproviders nicht feststellen, so dass hierauf ein Auskunftsanspruch praktisch nicht gestützt werden kann.

Eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß kann bei Vorliegen beson...

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