Leitsatz (amtlich)

Die langjährige Dauer einer Abwicklungsvollstreckung (hier: 10 Jahre) kann die Entlassung eines Testamentsvollstreckers rechtfertigen, wenn die Ursachen für diese Verzögerung in dessen Verhalten begründet sind.

Auch wenn die Erben zunächst auf die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses durch den Testamentsvollstrecker verzichtet haben, können sie von diesem zu einem späteren Zeitpunkt die Anfertigung eines entsprechenden Verzeichnisses verlangen.

Bei einer Entlassung eines Testamentsvollstreckers ist eine mündliche Anhörung der Erben durch das Nachlass- oder Beschwerdegericht nicht zwingend geboten. Ebenso wenig bedarf es zwingend der Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Beschluss vom 02.07.2004; Aktenzeichen 7 T 15/04)

AG Jülich (Beschluss vom 09.01.2004; Aktenzeichen 8-VI 32/93)

 

Tenor

Auf die sofortigen weiteren Beschwerden des Beteiligten zu 2) vom 15.7.2004 sowie der Beteiligten zu 3) und 4) vom 20.7.2004 wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des LG Aachen vom 2.7.2004 - 7 T 15/04 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die sofortigen Beschwerden des Beteiligten zu 2) vom 2.2.2004 sowie der Beteiligten zu 3) und 4) vom 20.1.2004 gegen den Beschluss des AG Jülich vom 9.1.2004 - 8-VI 32/03 - an das LG Aachen zurückverwiesen.

Dem LG Aachen wird auch die Entscheidung über die Kosten der Verfahren der weiteren Beschwerde übertragen.

 

Gründe

1. Die Beteiligten zu 1), 3) und 4) sind die Erben der am 18.2.1993 verstorbenen Erblasserin. Ein weiterer Erbe ist mittlerweile verstorben und seinerseits von dem Beteiligten zu 1) beerbt worden. Die Erblasserin hatte durch notarielles Testament vom 5.1.1993 Testamentsvollstreckung angeordnet. Mit Beschluss des AG Jülich vom 28.4.1993 wurde der Beteiligte zu 2) zum Testamentsvollstrecker über den Nachlass der Erblasserin ernannt. Der Beteiligte zu 1) hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 18.6.2003 (Bl. 34 ff. d. GA.) die Entlassung des Beteiligten zu 2) als Testamentsvollstrecker mit der Begründung beantragt, dieser habe seit Februar 2001 keine (ausreichende) Rechnung über die Verwaltung des Nachlasses gelegt und kein Nachlassverzeichnis erstellt. Bereits im Jahre 1999 hatte eine pflichtteilsberechtigte Tochter der Erblasserin, gestützt auf die verzögerliche Abwicklung der Testamentsvollstreckung, um Entlassung des Beteiligten zu 2) aus dem Amt des Testamentsvollstreckers gebeten. Diesem Gesuch ist das Nachlassgericht nicht nachgekommen.

Mit Beschluss vom 9.1.2004 (Bl. 121 d. GA.) hat das AG in der fehlenden Vorlage des Nachlassverzeichnisses eine grobe Pflichtverletzung gesehen und den Beteiligten zu 2) aus seinem Amt entlassen. Gegen diesen Beschluss haben der Beteiligte zu 2) unter dem 2.2.2004 (Bl. 160 d. GA.) sowie die Beteiligten zu 3) und 4) mit Schreiben vom 20.1.2004 (Bl. 132 d. GA.) jeweils sofortige Beschwerde erhoben. Durch Beschluss vom 2.7.2004 (Bl. 232 ff. d.GA.) hat das LG die Rechtsmittel mit der Begründung zurückgewiesen, schon die Dauer der Abwicklungsvollstreckung von 10 Jahren rechtfertige zwingend die Entlassung des Testamentsvollstreckers. Hiergegen richten sich die sofortigen weiteren Beschwerden des Beteiligten zu 2) vom 15.7.2004 (Bl. 249 f. d. GA.) sowie der Beteiligten zu 3) und 4) vom 20.7.2004 (Bl. 251 f. d.GA.), die dem Senat am 9.9.2004 vorgelegt worden sind.

2. Die sofortigen weiteren Beschwerden sind zulässig. Sie sind insb. in rechter Form (§ 29 Abs. 1 FGG) und Frist (§§ 22 Abs. 1, 29 Abs. 4, 81 Abs. 2 FGG) eingelegt worden. Sowohl der Beteiligte zu 2) als entlassener Testamentsvollstrecker als auch die Beteiligten zu 3) und 4) als betroffene Erben sind beschwerdebefugt, weil sie durch die angefochtene Entscheidung des LG jeweils in ihren Rechten betroffen werden (§§ 20 Abs. 1, 29 Abs. 4 FGG).

In der Sache sind die Rechtsmittel begründet. Sie müssen allein schon deshalb zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung führen, weil das Beschwerdegericht den auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beachtenden (BVerfG NJW 1995, 2095 [2096]; BayObLG v. 29.1.1980 - BReg. 1 Z 78/79, BayObLGZ 1980, 23 [25] = MDR 1980, 492; v. 30.6.1981 - BReg. 1 Z 37/81, FamRZ 1981, 999 [1001]; KG FGPrax 2000, 36 [38]; Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., 2003, § 12 Rz. 139; Sternal, FGPrax 2004, 170) verfassungsmäßig verankerten Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat und seine Entscheidung auf diesem Verfahrensverstoß beruhen kann.

a) Nach § 2227 Abs. 1 BGB kann das Nachlassgericht den Testamentsvollstrecker auf Antrag eines Beteiligten entlassen, wenn dafür ein wichtiger Grund gegeben ist. Ein wichtiger Grund i.S.v. § 2227 Abs. 1 BGB ist zwar auch, aber nicht nur in den in dieser Bestimmung besonders genannten Beispielsfällen der groben Pflichtverletzung oder der Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Amtsführung gegeben. Er liegt vielmehr ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Testamentsvollstreckers ebenfalls dann vor, wenn dies...

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