Entscheidungsstichwort (Thema)

"Rücknahme nur in unbenutztem Zustand": Unwirksamkeit einer Widerrufsbelehrung in Fernabsatz (AGB)

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Widerrufsbelehrung in AGB, die in einem Fernabsatzvertrag über Kosmetika die Ware "nur in einem unbenutzten Zustand" für rücknahmefähig erklärt, ist unwirksam. Ein vollständiger Ausschluss des Widerrufsrechts für Kosmetikartikel nach dem Öffnen der Primärverpackung wird durch die Regelung des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB - wonach das Widerrufsrecht bei Verträgen zur Lieferung von Waren ausgeschlossen ist, die "auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können" - nicht gedeckt.

Gegen den Beschluss ist Widerspruch nicht eingelegt worden.

 

Normenkette

EG-RiLi 97/7 Art. 6 Abs. 3; BGB § 312c Abs. 1 S. 1, § 312d Abs. 4 Nr. 1, § 357 Abs. 3; BGB InfoV § 1 Abs. 1 Nr. 10; UWG § 4 Nr. 11

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Beschluss vom 17.03.2010; Aktenzeichen 42 O 18/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG Aachen - 42 O 18/10 - vom 17.3.2010 abgeändert, soweit der Antrag zurückgewiesen worden ist, und im Wege der einstweiligen Verfügung über die zu Nr. I des Beschlusses getroffene Anordnung hinaus angeordnet:

1. Der Antragsgegner hat es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im Zusammenhang mit geschäftlichen Handlungen bei der Tätigkeit im Fernabsatz Verbrauchern über den Online-Marktplatz eBay unter der Domain "eBay. de" als Unternehmerin Kosmetikartikel anzubieten, wenn im Rahmen der Information zum fernabsatzrechtlichen Widerrufsrecht für Verbraucher folgende oder dieser inhaltsgleiche Bestimmung mitgeteilt wird:

"Kosmetik kann nur in einem unbenutzten Zustand zurückgenommen werden."

wie geschehen in dem nachfolgend auszugsweise wiedergegebenen Angebot vom 18.2.2010 zu Artikelnummer 230436081908:

(Grafik entfernt)

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

 

Gründe

Die nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Teilzurückweisung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat in der Sache Erfolg. Als Mitbewerberin der Antragsgegnerin kann sie - wovon auch das LG ausgegangen ist - gem. §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1 und 2, 4 Nr. 11 UWG, § 312c Abs. 1 S. 1 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV die Unterlassung einer falschen oder unzureichenden Belehrung der Verbraucher über ihr Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen nach §§ 312d, 355 BGB beanspruchen (vgl. Senat, GRUR-RR 2008, 88; Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Nr. 11.170 m.w.N.). Die beanstandete Aussage, dass Kosmetik nur in einem unbenutzten Zustand zurückgenommen werden könne, genügt den von Unternehmen zu beachtenden Anforderungen an eine fehlerfreie Belehrung nicht und ist geeignet, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen.

Die von der Antragsgegnerin in § 3 Satz 2 der "Widerrufs- oder Rückgabebelehrung" verwendete Bestimmung knüpft an den vorigen Satz an, der den Wortlaut des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB wiederholt, wonach das Widerrufsrecht u.a. bei Verträgen zur Lieferung von Waren ausgeschlossen ist, die "auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können". Der Versuch einer Konkretisierung des auf Art. 6 Abs. 3 der Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG beruhenden Ausnahmetatbestandes, dessen wenig präzise Fassung (Erman/Saenger, BGB, 12. Aufl., § 312d Rz. 20 ff., 24) verbreitet Lobbyeinflüssen zugeschrieben wird (Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 312d Rz. 8; Prütting/Wegen/Weinrich/Medicus, BGB, 4. Aufl., § 312d Rz. 7; Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751), muss indessen als misslungen angesehen werden.

Die Formulierung der Antragsgegnerin lässt den Verbraucher nämlich darüber im Unklaren, ab wann bei Kosmetikprodukten - als konkrete Verletzungsform ist das Angebot von (Anti-Falten-) Gesichtscreme in einer Tube in Bezug genommen - sein Widerrufsrecht ausgeschlossen sein soll. Dass er den noch in der Tube befindlichen und insofern "unbenutzten" Teil der Creme in jedem Fall soll zurückgeben dürfen, liegt allerdings fern. Ob jedoch erst die Entnahme eines größeren oder kleineren Teils der Creme oder das bloße Öffnen der Tube oder die Entfernung einer Versiegelung oder bereits das Öffnen einer etwa vorhandenen Original-Umverpackung als Beginn der Benutzung des Produkts gelten soll, kann der Verbraucher der Klausel nicht entnehmen. Klarer wird der Belehrungstext im Streitfall auch nicht dadurch, dass in dem (im Beschlusstenor nicht mehr eingeblendeten) weiteren Text des eBay-Angebots der Zustand des Artikels als "Neuware - Ohne Karton" beschrieben wird. Ob ein Ausschluss der Rücknahme "angebrochener Kosmetika" (vgl. Becker/Föhlisch, a.a.O., [3755]; Palandt/Grüneberg, a.a.O., Rz. 9) sprachlich transparenter wäre, hat der Senat nich...

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