Leitsatz (amtlich)

Unternimmt die Ausländerbehörde im Laufe einer längeren Untersuchungshaft des abzuschiebenden Ausländers nichts, um seine Abschiebung vorzubereiten (Maßnahmen der sicheren Identifikation, Beschaffung von Passersatzpapieren), so verstößt die Verhängung von Abschiebehaft nach Aufhebung der Untersuchungshaft gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

 

Normenkette

AuslG § 57

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 05.08.2002; Aktenzeichen 1 T 292/02)

AG Köln (Beschluss vom 16.07.2002; Aktenzeichen 507a XIV 481/02)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) werden die Beschlüsse des AG Köln vom 16.7.2002 sowie der 1. Zivilkammer des LG Köln vom 5.8.2002 – 1 T 292/02 –aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Haftantrag des Beteiligten zu 2) unbegründet war.

Der Beteiligte zu 2) hat dem Beteiligten zu 1) seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Rechtsbeschwerdewert: 2.500 Euro

 

Gründe

Mit Ersuchen vom 4.7.2002 bat die Ausländerbehörde der Region H. den Beteiligten zu 2), im Wege der Amtshilfe und im erklärten Einvernehmen mit der StA Bonn für den seit dem 28.6.2001 in der JVA Köln wegen Verdachts des Verstoßes gegen das BTMG in Untersuchungshaft sitzenden Betroffenen Sicherungshaft zum Zwecke der Abschiebung als Überhaft zu beantragen, die Abschiebung durchzuführen, und zu diesem Zweck die entsprechenden Passersatzpapiere für diesen zu beantragen (Bl. 4 GA). Durch Beschluss vom 16.7.2002 ordnete das AG Köln (zuständig das AG, in dessen Bezirk die Haftanstalt ist – AuslG-VwV Nr 57.3.0.2) auf den entsprechenden Antrag des Beteiligten zu 2) (nunmehr, wie er schon in seinem Antrag dargetan hatte, zuständig nach dem Amtshilfeersuchen i.V.m. dem Runderlass des Innenministers NW v. 30.3.93 – I B 5/44–28) gegen den Betroffenen für die Dauer von 1 Monat Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen im Anschluss an die Untersuchungshaft (sog. Überhaft) an. Seine hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde wies das LG durch den angefochtenen Beschluss zurück mit der Maßgabe, dass die Abschiebungshaft im Anschluss an die vollstreckte Untersuchungshaft auf Grund des Haftbefehls des AG Bonn vom 29.6.2001 zu vollstrecken ist. Der Betroffene war inzwischen mit rechtskräftiger Entscheidung des LG Bonn vom 17.7.2002 wegen eines Vergehens gegen das BTMG zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zugleich war der Haftbefehl des AG Bonn aufgehoben worden. Durch Beschluss vom 15.8.2002 hat das AG Köln die angeordnete (am 16.8.2002 endende) Abschiebehaft antragsgemäß um drei Monate verlängert (Bl. 74 GA).

Die am 14.8.2002 eingelegte sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen ist gegen den Beschluss des LG vom 5.8.2002 ist zulässig (§§ 27 Abs. 1 FGG, 103 Abs. 2 S. 1 AuslG, 3 S. 2 FEVG) und begründet.

Die Entscheidung des LG, das auf zulässige Erstbeschwerde entschieden hat (§§ 20, 22 FGG), hält der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand.

Zwar ist zwischenzeitlich die mit der Rechtsbeschwerde angegriffene einmonatige Haftdauer abgelaufen, nämlich am 16.8.2002, und insoweit mithin die Haftanordnung in der Hauptsache erledigt. Ein Rechtsschutzinteresse des Betroffenen an der (nachträglichen) Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung besteht aber fort, sodass ein diesbezüglicher mit der Rechtsbeschwerde nunmehr verfolgter Feststellungsantrag unterstellt werden kann.

Die Rechtsbeschwerde ist im Ergebnis begründet, denn es ist festzustellen, dass der auf Anordnung von Abschiebungshaft gerichtete Haftantrag des Beteiligten zu 2) unbegründet war. Für die antragsgemäße Anordnung von Abschiebungshaft als sog. Überhaft war kein Raum, denn sie erweist sich im Streitfall als unverhältnismäßig.

1. Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme der Vorinstanzen, dass der begründete Verdacht bestehe, dass der Betroffene ohne vorherige Haft sich der Abschiebung entziehen werde (§ 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AuslG). Begründete Anhaltspunkte dafür ergeben sich hier daraus, dass er seinerzeit das Asylbewerberheim in G. ohne eine Verlassenserlaubnis nach §§ 50, 58 AsylVfG verlassen und sich in B. aufgehalten hatte, und dass er ins kriminelle Milieu (Verstrickung in den Rauschgifthandel) abgedriftet ist. Kein Argument in diesem Zusammenhang ist allerdigs sein Fernbleiben an den beiden vereinbarten Vorstellungsterminen vom 3.7. und 7.8.2001 anzuführen, weil er sich seit dem 28.6.2001 in Untersuchungshaft in der JVA Köln befand und dadurch an der Wahrnehmung gehindert war.

2. Rechtlich zu beanstanden ist gleichwohl die Anordnung der Sicherungshaft, weil sie sich im Streitfall als nicht verhältnismäßig darstellt.

Mit Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass es die Ausländerbehörde pflichtwidrig versäumt hatte, im Laufe der mehr als einjährigen Untersuchungshaft eine persönliche Vorstellung des Betroffenen bei den Botschaften von G. und/oder S.L. zu seiner Identifikation und zur Beschaffung der Passersatzpapiere durchzuführen. Es ist kein berec...

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