Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Aufklärungspflicht des Arztes über spezielle sozialrechtliche Fragen

 

Leitsatz (amtlich)

Weder aus § 630 c BGB noch aus anderer Rechtsgrundlage folgt eine Verpflichtung des Arztes, den Patienten, dessen Arbeitsunfähigkeit er zu bescheinigen hat, über sozialrechtliche Voraussetzungen und Zweifelsfragen zu informieren, die sich im Zusammenhang mit lückenloser bzw. rückwirkender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stellen.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 630a, 630c, 823; SGB V § 92

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 25 O 81/17)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 3.7.2017 - 25 O 81/17 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der er Schadensersatzansprüche gegen seinen behandelnden Arzt geltend machen will, weil dieser ihn im Hinblick auf seine Krankschreibung unzureichend informiert habe.

Der Antragsteller, der seit dem 14.1.2013 bei einem Personaldienstleistungsunternehmen versicherungspflichtig beschäftigt war, stürzte am 16.1.2013 mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit und verletzte sich an der Hand. Der Antragsgegner, Durchgangsarzt und Facharzt für Chirurgie, behandelte ihn in der Folgezeit und stellte ihm eine Erstbescheinigung für Arbeitsunfähigkeit sowie Folgebescheinigungen aus. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis (während der Probezeit) zum 6.2.2013. Der Antragsteller erhielt in der Folgezeit bis zum 25.2.2013 Verletztengeld, danach Krankengeld. Wegen der Verletzung der Hand, wegen weiterer degenerativer Schäden an der Hand und wegen einer Rückenoperation bestand fortlaufende Arbeitsunfähigkeit bis zum 31.3.2014.

Am 26.2.2013 bescheinigte der Antragsgegner dem Antragsteller eine Arbeitsunfähigkeit bis zum Freitag, den 8.3.2013. Am 8.3.2013 kam es nicht zu einer Folgebescheinigung, da an diesem Tag die Praxis des Antragsgegners geschlossen war. Am 11.3.2013 wurde sodann die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit durch den Antragsgegner bescheinigt. Im Hinblick auf die zwischen dem 8.3. und dem 11.3.2013 unterbrochene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stellte die Krankenkasse des Antragstellers die Zahlung von Krankengeld ein. Eine Klage vor dem Sozialgericht hiergegen blieb in zwei Instanzen erfolglos.

Der Antragsteller meint, der Antragsgegner habe wissen müssen, dass für die Weitergewährung von Krankengeld eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erforderlich sei. Der Antragsteller habe hierauf hingewiesen und er habe einen Tag früher in die Praxis einbestellt werden müssen. Er habe durch entgangenes Krankengeld einen Schaden von 10.111,20 EUR erlitten.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

Zu Recht hat die Kammer entschieden, dass die beabsichtigte Klage keine Aussicht auf Erfolg hat. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch steht dem Antragsteller nicht zu. Die einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage aus §§ 280 Abs.1, 630a BGB führt nicht zum Erfolg, weil der Antragsgegner keine vertraglichen Pflichten verletzt hat.

Der Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Patienten obliegt im Regelfall nicht dem Arzt, sondern dem Patienten selbst, ist daher auch nur ausnahmsweise als vertragliche Nebenpflicht anzusehen (Pauge, Arzthaftungsrecht, 13. Aufl. 2015). Das Patientenrechtegesetz hat mit § 630 c Abs.3 BGB eine Hinweispflicht des Behandlers ausdrücklich nur für den Fall normiert, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist und sich für den Behandler nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte ergeben, also nicht gedeckte Krankheitskosten betroffen sind. Darum geht es hier nicht. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung eine Pflicht zu angemessen zeitnaher Erledigung von Maßnahmen dort anerkannt, wo Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen in engem Zusammenhang mit wirtschaftlichen Interessen des Patienten standen, etwa die unverzögerte Erstellung eines ärztlichen Zeugnisses, das für den Abschluss einer Risikolebensversicherung erforderlich ist (BGH VersR 1981, 452 f., und BGH NJW 2006, 687 f.),und eine hierauf gestützte Haftung des Behandlers immerhin für möglich angesehen. Der Grund für wirtschaftliche Informationspflichten wird dabei im Falle der unzureichenden oder nicht gegebenen Kostendeckung in einem Wissensvorsprung des Behandlers gegenüber dem Patienten gesehen (vgl. BT-Drs. 17/10488 S. 22), im Falle der unverzögerten Erledigung in den aus den ärztlichen Berufsordnungen vorgesehenen Bestimmungen (BGH NJW 2006, 687 f. Rn. 10). Für den Fall der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, dass die Krankenkasse nicht verpflichtet ist, den Versicherten auf einen drohenden Verlust des Krankengeldanspruches hinzuweisen (BSG, Urt. Vom 10.5.2012 - B 1 KR 19/11, BSGE 111, 9 ff.; BSG, Urt. V. 16.12.2014, B 1 KR 19/14 R m.w.N.).

Unter Beachtung dieser Grundsätze kommt eine Haftung ...

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