Leitsatz (amtlich)

1. Wenn gegen die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage erhoben wird, hat die Gesellschaft nicht die Möglichkeit, zur Vermeidung der mit der Rückwirkung einer stattgebenden Entscheidung verbundenen Risiken das gewählte Aufsichtsratsmitglied durch das Registergericht analog § 104 Abs. 2 AktG aufschiebend bedingt bestellen zu lassen. Eine derartige Ausweitung der Bestellungsmöglichkeiten ist dem Gesetzgeber vorbehalten.

2. Jedenfalls dann, wenn das Registergericht einem vorsorglich gestellten Antrag auf Ergänzung des Aufsichtsrates nach § 104 Abs. 2 AktG nicht stattgeben will, ist eine Anhörung oder Benachrichtigung der bislang nicht am Verfahren beteiligten Aktionäre der Gesellschaft nach § 7 Abs. 2 und 4 FamFG entbehrlich.

 

Normenkette

AktG § 104

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 21.12.2010; Aktenzeichen 19 HR B 4148)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des AG - Registergerichts - Bonn v. 21.12.2010 - HR B 4148 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beteiligte zu 2) zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1) (im Folgenden auch: Gesellschaft) ist eine im Handelsregister B des AG Bonn eingetragene Aktiengesellschaft, die durch ihren Vorstand, den Beteiligten zu 2), gesetzlich vertreten wird. Die Beteiligte zu 4) ist eine ihrer Aktionärinnen. In der Hauptversammlung vom 20.5.2010 ist der Beteiligte zu 3) mit einer Mehrheit von 83,42 % der Aktien, für die gültige Stimmen abgegeben wurden, gegen die Stimmen der Beteiligten zu 4) zum Mitglied des Aufsichtsrates der Gesellschaft gewählt worden. Die Wahl erfolgte für die Zeit bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder für das Geschäftsjahr 2014 beschließt. In einer nach der Hauptversammlung stattfindenden Sitzung des Aufsichtsrates der Gesellschaft ist der Beteiligte zu 3) zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates gewählt worden. Die Beteiligte zu 4) hat gegen mehrere Beschlüsse der Hauptversammlung und auch gegen die Wahl des Beteiligten zu 3) bei dem LG Köln eine Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage eingereicht. Wegen der Einzelheiten des Prozessvortrages in diesem Verfahren (Az. 82 O 12/10 LG Köln) wird auf die in Kopie zu den Akten gereichte Klageschrift der Beteiligten zu 4) (Bl. 1602 ff. d.A.) und der Klageerwiderung der Beteiligten zu 1) (Bl. 1634 ff. d.A.) verwiesen. Die Anfechtung der Wahl des Beteiligten zu 3) wird sowohl auf formelle Fehler - insbesondere Informationsmängel in der Hauptversammlung und Verletzungen des Auskunftsrechtes - gestützt als auch darauf, dass dem Beteiligten zu 3) Pflichtverstöße vorzuwerfen seien, die seiner Wiederwahl entgegenstünden.

Mit einem am 1.10.2010 bei dem AG Bonn eingegangenen Schriftsatz (Bl. 1571 ff. d.A.) hat der Beteiligte zu 2) beantragt,

den Beteiligten zu 3), Herrn E. C. zum Mitglied des Aufsichtsrates der Beteiligten zu 1) zu bestellen, aufschiebend bedingt durch die rechtskräftige, stattgebende Entscheidung über die vor dem LG Köln anhängige Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage betreffend seine Wahl durch die Hauptversammlung am 20.5.2010 (LG Köln, Az. 82 O 12/10), hilfsweise unbedingt, und zwar mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Ausfertigung des beantragten Beschlusses der gerichtlichen Bestellung bis zum Ende der nächsten Hauptversammlung, die auf die rechtskräftige, stattgebende Entscheidung über die vorgenannte Klage folgt.

Dem Antrag war eine schriftliche Einverständniserklärung des Beteiligten zu 3) beigefügt (Bl. 1598 d.A.). Der Beteiligte zu 2) hat den Antrag wie folgt begründet: Im Fall, dass der von der Beteiligten zu 4) erhobenen Anfechtungsklage stattgegeben werde, werde der Beteiligte zu 3) das Aufsichtsratsmandat rückwirkend auf den Zeitpunkt der Bestellung wieder verlieren. Nach (noch) herrschender Meinung sei damit seine Stimmabgabe in allen in der Zwischenzeit gefassten Beschlüssen des Aufsichtsrates unwirksam. Hierdurch entstehe eine für die Gesellschaft unzumutbare Rechtsunsicherheit. Daher sei eine gerichtliche Bestellung des Beteiligten zu 3) für den Fall einer erfolgreichen Anfechtungsklage bereits jetzt erforderlich, da er bei einer Beschlussfassung des Aufsichtsrates dann seine Stimme als zwar nicht als gewähltes, wohl aber als gerichtlich bestelltes Mitglied abgegeben habe. Die Voraussetzungen des § 104 Abs. 2 AktG seien hier gegeben, da - unter der genannten Bedingung einer letztlich erfolgreichen Anfechtungsklage - dem Aufsichtsrat seit mehr als drei Monaten nicht die nach Gesetz oder der Satzung der Gesellschaft erforderliche Anzahl von Mitgliedern angehört haben werde. Zumindest sei § 104 Abs. 2 AktG in Fällen der vorliegenden Art analog anzuwenden.

Bei dem Beteiligten zu 3) handele es sich um eine für die Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied taugliche Person. Insbesondere seien die von der Beteiligten zu 4) angeführten Pflichte...

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