Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordre Public und Vaterschaftsfeststellung; Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen

 

Leitsatz (amtlich)

Ein polnisches Urteil zur Vaterschaftsanerkennung, das auf der Anhörung der Großmutter des Kindes als Vormünderin basiert und die Abstammung des Kindes nicht mit medizinischen Mitteln hat überprüfen lassen, verstößt noch nicht gegen den ordre public.

 

Normenkette

Haager Unterhaltsübereinkommen Art. 5 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 16.01.2007; Aktenzeichen 3 O 11/07)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 26.08.2009; Aktenzeichen XII ZB 169/07)

 

Tenor

Dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T. in L bewilligt.

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des LG Köln vom 16.1.2007 - 3 O 11/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Beschwerdewert: bis 6.000 EUR.

 

Gründe

I. Durch Urteil des AG Myslenice vom 3.2.2005 - III RC 165/04 - wurde der Antragsgegner als Vater des Antragstellers festgestellt. Zugleich wurde er verpflichtet, als Unterhaltsgeld zugunsten des Antragstellers monatlich 500 Zloty seit dem 21.4.2004 bis zum 15. eines jeden Monats mit gesetzlichen Zinsen im Falle des Verzuges zu zahlen.

Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 9.1.2007 die Vollstreckbarerklärung des Unterhaltstitels (ohne Zinsen) beantragt.

Die Vorsitzende der 3. Zivilkammer des LG Köln hat dem Antrag mit Beschluss vom 16.1.2007 stattgegeben.

Gegen den ihm am 24.1.2007 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 8.2.2007 "Erinnerung" eingelegt und mit Schriftsatz vom 6.3.2007 für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe beantragt.

Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er nicht der Vater des Antragstellers sei. Das Urteil des AG Myslenice verstoße gegen den deutschen ordre public, weil seine Vaterschaft ohne Abstammungsbegutachtung festgestellt worden sei. Er habe seine Vaterschaft bereits anlässlich seiner - im Wege der Rechtshilfe erfolgten - Anhörung vor dem AG Gummersbach am 20.12.2004 bestritten und die Einholung eines Abstammungsgutachtens angeregt. Gegen das polnische Urteil habe er kein Rechtsmittel einlegen können, weil ihm dieses nicht zugestellt worden sei und er keine Kenntnis davon erlangt habe.

Der Antragsteller, der seinerseits um Prozesskostenhilfe nachsucht, tritt dem entgegen.

II. Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Der auf das Hager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 (HUVollstrÜ - BGBl. 1996 II 1073) gestützte Vollstreckbarkeitsantrag ist begründet.

Die formellen Voraussetzungen des Art. 4 und 17 HUVollstrÜ sind erfüllt.

Anerkennungsversagungsgründe liegen nicht vor.

Nach Art. 5 Nr. 1 HUVollstrÜ ist eine Anerkennung ausgeschlossen, wenn die Entscheidung mit der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaates offensichtlich unvereinbar ist.

Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Allerdings hat das AG Myslenice die Vaterschaft des Antragsgegners - wie sich aus dem vorgelegten Terminsprotokoll ergibt - ausschließlich aufgrund der Angaben der Vormünderin (Großmutter) des Antragstellers festgestellt, ohne persönliche Anhörung der Kindesmutter und ohne Überprüfung der Abstammung mit medizinischen Mitteln. Nach deutschem Recht gilt im Kindschaftsrecht der Amtsermittlungsgrundsatz (§§ 640 Abs. 1, 616 Abs. 1 ZPO). Die danach gebotene Erhebung aller sachdienlichen Beweise von Amts wegen zwingt den deutschen Richter in einem Rechtsstreit um die Feststellung der Vaterschaft im Regelfall zur Einholung eines Blutgruppengutachtens und etwaiger weiterer zur Überzeugungsbildung notwendiger medizinischer Gutachten. Die Vaterschaftsfeststellung allein aufgrund der Aussage der Großmutter des Kindes über die Angaben der Kindesmutter betreffend die Vaterschaft wird sich für den deutschen Richter in der Regel verbieten. Indessen führt nicht jede Abweichung des ausländischen Gerichts von Verfahrensgrundsätzen, der deutsche Richter zu beachten hätte, zu einer Unvereinbarkeit mit dem verfahrensrechtlichen ordre public. Vielmehr ist unter diesem Gesichtspunkt nur solchen ausländischen Urteilen die Anerkennung zu versagen, die in einem Verfahren ergangen sind, das den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße widerspricht, dass das Urteil nach der deutschen Rechtsordnung nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann (BGH FamRZ 1986, 667; Rauscher, Europäischen Zivilprozessrecht, 2006, Art. 34 Brüssel I VO Rz. 13 m.w.N.). Es bedarf hiernach nachweisbarer Verstöße gegen elementare verfahrensrechtliche Garantien. Daran gemessen liegt hier ein die Anerkennung des Urteils des AG Myslenice ausschließender Verstoß gegen den deutschen ordre public nicht vor. Das polnische Gericht hat den Antragsgegner im Wege der Rechtshilfe angehört und seine Bekundungen zum Gegenstand der mündlichen Verhandl...

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