Verfahrensgang

LG Köln (Entscheidung vom 18.07.2013; Aktenzeichen 104 Qs 54/13)

AG Köln (Entscheidung vom 03.06.2013; Aktenzeichen 648 Ls 518/13)

 

Tenor

Der Beschluss der 4. großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 18.07.2013 (Az.: 104 Qs 54/13) und der Haftbefehl des Amtsgerichts Köln vom 03.06.2013 (Az.: 648 Ls 518/13) werden aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandene notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

 

Gründe

I.

Dem Angeklagten wird mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Köln vom 09.11.2012 (Az.: 193 Js 1012/12) vorgeworfen, am 16.10.2012 in L gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten T als Heranwachsender tateinheitlich einen schweren Raub sowie eine gefährliche Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin und Nebenklägerin S begangen zu haben. Die Angeklagten sollen am Tattag gegen 18:15 Uhr an der Haustür der 1928 geborenen Geschädigten geklingelt haben, nachdem die Geschädigte die Türe geöffnet habe, gewaltsam in deren Wohnung eingedrungen sein und sie unter Vorhalt eines Messers zunächst gefesselt und geknebelt und später auf ihr Bett geworfen haben, um ihre Wohnung nach Beute zu durchsuchen. Dabei sollen sie 55,- € Bargeld sowie Schmuck im Wert von ca. 2.000,- € entwendet haben. Die Geschädigte habe in Folge der Tat Hämatome im Gesicht sowie eine Gehirnerschütterung erlitten.

Der gegen den Angeklagten nach seiner vorläufigen Festnahme am 18.10.2012 seit dem 19.10.2012 vollstreckte Untersuchungshaftbefehl des Amtsgerichts Köln vom 19.10.2012 (Az.: 502 Gs 3507/12) in Gestalt des Haftfortdauerbeschlusses des Amtsgerichts Köln vom 08.04.2013 (Az.: 648 Ls 518/12) wurde durch Beschluss des Senats vom 24.04.2013 (Az.: 2 Ws 230/13) aufgehoben. Der Angeklagte befindet sich seit dem 24.04.2013 auf freiem Fuß und ist derzeit unbekannten Aufenthaltes.

Das Amtsgericht Köln ordnete mit dem angefochtenen Beschluss vom 03.06.2013 (Az.: 648 Ls 518/12) die Hauptverhandlungshaft gegen den Angeklagten wegen unentschuldigten Ausbleibens zum anberaumten Hauptverhandlungstermin an. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Angeklagten vom 19.06.2013 hat die 4. große Strafkammer des Landgerichts Köln mit Beschluss vom 18.07.2013 (Az.: 104 Qs 45/13) als unbegründet verworfen. Gegen diesen Beschluss hat der Angeklagte mit Verteidigerschriftsatz vom 13.08.2013 weitere Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, dass die Ladung zum Hauptverhandlungstermin dem Angeklagten, der der deutschen Sprache nicht mächtig sei, nicht übersetzt worden sei. Ferner sei die Hauptverhandlungshaft nicht durch das Gericht angeordnet worden, da die Vorsitzende insoweit ohne Mitwirkung der Schöffen entschieden habe. Die 4. große Strafkammer des Landgerichts Köln hat der weiteren Beschwerde am 22.08.2013 nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die weitere Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

1.

Das Rechtsmittel ist gemäß § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass der Haftbefehl derzeit nicht vollstreckt wird. Denn nicht nur der Vollzug, auch der Bestand eines Haftbefehls kann im Wege der weiteren Beschwerde zur Überprüfung gestellt werden. Der Haftbefehl gemäß § 230 Abs. 2 StPO ist ein Rechtstitel für die Verhaftung. Mit der Klärung der Frage, ob er zu erlassen oder aufrechtzuerhalten ist, soll nicht gewartet werden, bis es zu seinem Vollzug kommt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, § 310 Rn. 7 m.w.N.).

2.

Die weitere Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Der wegen des Ausbleibens des Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 03.06.2013 erlassene Haftbefehl kann keinen Bestand haben. Zwar ist nach § 230 Abs. 2 StPO die Verhaftung des der Hauptverhandlung ferngebliebenen Angeklagten anzuordnen, wenn dieser nicht genügend entschuldigt ist. Voraussetzung ist jedoch, dass er zum Termin ordnungsgemäß geladen wurde. Dies war bei der dem Angeklagten übergebenen Ladung nicht der Fall, da es an der für die Anordnung der Hauptverhandlungshaft gemäß § 230 Abs. 2 StPO erforderlichen Warnung nach § 216 Abs. 1 S. 1 StPO fehlte, dass im Falle seines unentschuldigten Ausbleibens seine Verhaftung oder Vorführung erfolgen werde (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, § 216 Rn. 4). Da der Angeklagte sich im Zeitpunkt der Ladung, die ihm ausweislich des Zustellungsformulars AVR 44 (Bl. 616 d.A.) am 23.04.2013 in der Justizvollzugsanstalt I übergeben worden ist, nicht auf freiem Fuß befunden hat, ist die Ladung lediglich gemäß § 216 Abs. 2 S. 1 StPO durch Bekanntmachung des Termins gemäß § 35 StPO ausgeführt worden. In einem solchen Fall entfällt die Warnung nach § 216 Abs. 1 S. 1 StPO, da der Angeklagte zu dem anberaumten Hauptverhandlungstermin ohnehin vorgeführt wird. Nach dem Inhalt der Ladungsverfügung (Bl. 589 d.A.) und der Zustellungsurkunde (Bl. 616 d.A.) ist nicht ersichtlich, dass entgegen dieser, den Vorgaben des § 216 StPO entsprechenden ständigen Praxis der Gerichte verfahren worden ist. Da der Angeklagte je...

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