Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung der Kosten eines Patentanwalts im Zwangsvollstreckungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Handelt es sich bei dem Erkenntnisverfahren um eine Streitsache nach dem Geschmacksmustergesetz, gilt dies nicht automatisch auch für das sich anschließende Zwangsvollstreckungsverfahren. Es ist vielmehr im Einzelfall zu prüfen, ob es der vom Gesetzgeber für das Erkenntnisverfahren fingierten besonderen Sachkunde des Patentanwalts auch im Rahmen der Vollstreckung des Anspruchs bedarf.

 

Normenkette

ZPO § 91; GeschmMG § 51 Abs. 1, 4

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 18.05.2012; Aktenzeichen 84 O 69/11)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Köln vom 18.5.2012 (84 O 69/11) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Aufgrund des Beschlusses des LG Köln vom 29.2.2009 sind von der Schuldnerin 247,40 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 15.3.2012 an die Antragstellerin zu erstatten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 247,40 EUR.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin erwirkte gegen die Antragsgegnerin im Ausgangsrechtsstreit (Geschmacksmustersache) unter dem 23.3.2011 eine einstweilige Verfügung des LG, wonach der Antragsgegnerin der Vertrieb bestimmter zahntechnischer Produkte (Veneers) untersagt wurde (Antrag zu 1.) und sie Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der von ihr vertriebenen Produkte zu erteilen hatte (Antrag zu 2.).

Die Antragstellerin beantragte nach Abschluss des Erkenntnisverfahren gem. § 888 ZPO die Verhängung eines Zwangsgeldes gegen die Antragsgegnerin, da diese ihrer Auskunftsverpflichtung nicht bzw. nicht vollständig nachgekommen sei. Das LG hat nach der Erteilung von Auskünften durch die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 29.2.2012 festgestellt, dass das Zwangsgeldverfahren in der Hauptsache erledigt sei. Es hat der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Die Antragstellerin hat zur Kostenfestsetzung im Zwangsvollstreckungsverfahren angemeldet:

  • eine 0,3 Verfahrensgebühr ihrer anwaltlichen Bevollmächtigten gem. VV 2, 13 RVG i.V.m. VV 3309 i.H.v. 227,40 EUR
  • eine 0,3 Verfahrensgebühr gem. § 52 Abs. 4 GeschmMG i.V.m. Nr. 3309 VV RVG für die Mitwirkung ihrer Patentanwälte in Höhe 227,40 EUR
  • sowie jeweils Kostenpauschalen i.H.v. 20 EUR 40 EUR

Diese Kosten (insgesamt 494,80 EUR) sind von der Rechtspflegerin antragsgemäß festgesetzt worden.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, soweit Gebühren für die Mitwirkung der Patentanwälte angesetzt worden sind. Sie macht geltend, bei dem Zwangsvollstreckungsverfahren habe es sich nicht um eine Geschmacksmustersache gehandelt. Die tatsächliche Mitwirkung der Patentanwälte sei auch weder dargetan worden noch notwendig gewesen.

II. Das gem. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG als sofortige Beschwerde statthafte und auch ansonsten verfahrensrechtlich unbedenklich zulässigen Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.

Die Rechtspflegerin hat die von der Antragstellerin geltend gemachte Verfahrensgebühr für die Einschaltung ihrer Patenanwälte - und damit auch die Kostenpauschale - zu Unrecht festgesetzt. Eine Kostenerstattungspflicht der Antragsgegnerin folgt vorliegend weder aus § 52 Abs. 4 GeschmMG noch hat die Antragstellerin dargelegt gemacht, dass die Mitwirkung ihrer Patentanwälte aus Gründen besonderer Sachkunde erforderlich war.

1. § 52 Abs. 4 GeschmMG bestimmt, dass von den Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in einer Geschmacksmusterstreitsache entstehen, die Gebühren nach § 13 RVG des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und außerdem die notwendigen Auslagen des Patentanwalts zu erstatten sind. Nach einhelliger Ansicht in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur ist der Begriff der Geschmackmustersache - ebenso wie der der Marken-, Gebrauchsmuster- und Patentsache - weit auszulegen (vgl. Eichmann/von Falckenstein, Geschmacksmustergesetz, 4. Aufl., § 52 Rz. 10, Günther/Beierlein, Geschmacksmustergesetz, 2. Aufl., § 52 Rz. 15, jeweils m.w.N.). Daraus folgt indes kein Automatismus in dem Sinne, dass jedes einem Erkenntnisverfahren nachfolgende Zwangsvollstreckungsverfahren ebenfalls eine Geschmacksmusterstreitsache darstellt. Es ist vielmehr im Einzelfall zu prüfen, ob es der vom Gesetzgeber für das Erkenntnisverfahren fingierten besonderen Sachkunde des Patentanwalts auch im Rahmen der Vollstreckung des Anspruchs bedarf. Das wird in der Rechtsprechung etwa in den Fällen anerkannt, in denen es gem. § 890 ZPO um die Durchsetzung einer Unterlassungsverfügung geht. Denn hier besteht die nicht nur abstrakte Gefahr, dass die Parteien über den objektiven Umfang der titulierten Verpflichtung aus einer Patent-, Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster- oder Markensache streiten (vgl. OLG München, Beschl. v. 17.6.2005 - 6 W 1198/05 - = GRUR-RR 2006, 68;). Auch bei der Herausgabevollstreckung zur Sicherung des...

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