Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens in Kindschaftssachen

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Erstattung von Kosten für einen privat beauftragten Sachverständigen kommt in Betracht, wenn diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Eine Erstattung der Kosten eines Privatgutachtens kommt z.B. vor allem dann in Betracht, wenn der Verfahrensbeteiligte infolge fehlender Sachkenntnisse nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage ist, ein verständiger und wirtschaftlich vernünftiger Verfahrensbeteiligter die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte (vgl. BGH NJW 2006, 2415).

In Kindschaftsverfahren ist dies in aller Regel nicht der Fall. Für Kindschaftsverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz; d.h. das Familiengericht hat ebenso wie das Beschwerdegericht im Beschwerdeverfahren den Sachverhalt umfassend aufzuklären. Zur Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es daher vorab keines fachlich fundierten Sachvortrags der Beteiligten nicht.

 

Normenkette

FamFG § 85

 

Verfahrensgang

AG Brühl (Beschluss vom 29.12.2011; Aktenzeichen 31 F 442/09)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegner gegen den am 29.12.2011 erlassenen Beschluss des AG -Familiengericht- Brühl (31 F 442/09) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Antragsgegnern auferlegt.

Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.729,57 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegner gegen den am 2.1.2012 erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Brühl hat keinen Erfolg.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das AG den Antrag der Antragsgegner auf Festsetzung bzw. Ausgleichung privater Gutachterkosten zurückgewiesen. Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss. Das Beschwerdevorbringen, insbesondere die von der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner zitierten Entscheidungen des BGH, rechtfertigen keine andere Entscheidung.

Nach den zitierten Entscheidungen des BGH (BGHZ 153, 235; VI ZB 7/05, NJW 2006, 2415) kommt eine Erstattung von Kosten für einen privat beauftragten Sachverständigen in Betracht, wenn diese zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Beurteilung dieser Frage habe sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich habe ansehen dürfen. Dabei dürfe die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Unter diesen Blickpunkt komme eine Erstattung der Kosten eines Privatgutachtens dann in Betracht, wenn die Partei infolge fehlender Sachkenntnisse nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage sei (vgl. BGH, a.a.O.).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Für Kindschaftsverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz; d.h. das Familiengericht hat ebenso wie der Senat im Beschwerdeverfahren den Sachverhalt umfassend aufzuklären. Zur Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es daher vorab keines fachlich fundierten Sachvortrags der Beteiligten. Der Senat hätte zur Wahrung des Kindeswohls in jedem Fall ein Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen eingeholt. Bei dem vom Senat an Herrn Prof. Dr. Q. in Auftrag gegebenen Gutachten handelt es sich auch nicht um ein Obergutachten. Im vorliegenden Verfahren auf Herausgabe der Kinder hat das AG überhaupt kein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt. Das schriftliche Sachverständigengutachten von Herrn Dr. B. erfolgte in dem Umgangsverfahren 31 F 126/09 und hatte eine andere Fragestellung.

Die privatgutachterlichen Stellungnahmen haben das Verfahren nicht gefördert. Der Senat hätte seine Entscheidung keinesfalls allein auf die Einschätzung eines Gutachters gestützt, der privat von einer beteiligten Seite beauftragt wurde. Gerade in Kindschaftsverfahren ist die erforderliche Neutralität eines Sachverständigen bei einer privaten Beauftragung durch eine beteiligte Seite ersichtlich nicht gegeben. Dies war für die anwaltlich vertretenen Antragsgegner bereits bei Erteilung der Gutachteraufträge ohne weiteres erkennbar. Ein verständiger und wirtschaftlich vernünftiger Beteiligter hätte deshalb davon abgesehen, kostenintensive privatgutachterliche Stellungnahmen während des laufenden Verfahrens einzuholen. Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Vorlage eines Privatgutachtens in einer Kindschaftssache völlig unüblich ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 85 FamFG, 104 Abs. 3 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2969741

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