Leitsatz (amtlich)

Beschwerden gegen Prozesskostenhilfeentscheidungen eines Einzelrichters weisen regelmäßig dann „besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf”, wenn sie Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung betreffen und über die Berufung in der Hauptsache das Beschwerdegericht in voller Besetzung entscheiden müßte. Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ist eine Entscheidung durch den Senat geboten, wenn sonst keine Chancengleichheit zwischen bedürftigen und nicht bedürftigen Parteien bestünde.

 

Normenkette

ZPO i.d.F. ab 1.1.2002 § 568

 

Verfahrensgang

AG Kerpen (Aktenzeichen 50 F 436/01)

 

Tenor

Das Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss des AG Kerpen vom 14.1.2002 (50 F 436/01) wird dem Senat zur Entscheidung übertragen.

 

Gründe

I. Das AG hat der Beklagten Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen die auf 228 Euro (Gruppe 1 Alterstufe 2 der Düsseldorfer Tabelle ab 1.1.2002) beschränkte Klage des Kindes, das beim Vater lebt, versagt.

Die am … 1966 geborene Beklagte sei angesichts ihrer gesteigerten Unterhaltspflicht auch bei einer etwaigen Erwerbsbehinderung in der Lage, 5 Stunden täglich zu arbeiten und in der Lage davon, da sie kinderlos wiederverheiratet sei (der Ehemann verdient nach der PKH-Erklärung 4.175 DM brutto monatlich, hat aber Schulden), auch unter Wahrung ihres Selbstbehalts den verlangten Unterhalt zu zahlen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten, die weiter geltend macht, keine Arbeitsstelle finden zu können, da sie behindert sei. Sie verdiene derzeit monatlich 300 Euro als Tierarzthelferin.

II. Das Verfahren war gem. § 568 S. 2 ZPO dem Senat zu übertragen.

„Besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art” i.S.v. § 568 S. 2 Nr. 1 ZPO sind auch dann zu bejahen, wenn die Entscheidung über eine PKH-Beschwerde die Entscheidung in der Hauptsache beeinflussen kann, denn für die Entscheidung über eine etwaige Berufung in der Hauptsache wäre der Senat in seiner vollen Besetzung zuständig. Um widersprüchliche Beurteilungen durch den Einzelrichter des Beschwerdegerichts über die PKH-Beschwerde und des Senats über eine etwaige spätere Berufung zu vermeiden, ist in Prozesskostenhilfesachen, bei denen es um die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung geht, jedenfalls in den Fällen eine Übertragung angezeigt, in denen die Beurteilung der Erfolgsaussicht nicht unzweifelhaft ist.

Dieses Verständnis des § 568 S. 2 Nr. 1 ZPO ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Die Entscheidung über die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entscheidet i.d.R. darüber, ob die bedürftige Partei den Rechtsstreit überhaupt durchführen kann oder nicht. Die Gleichbehandlung der nicht bedürftigen Partei mit der bedürftigen Partei und die erforderliche weitgehende Chancengleichheit bei der Rechtswahrnehmung (BVerfG v. 26.4.1988 – 1 BvL 84/86, NJW 1988, 2231; Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., 2002, vor § 114 Rz. 1,2) erfordert, dass abgesehen von eindeutigen Fällen kein anderes Gremium über die Frage der Erfolgsaussicht entscheidet, als es auch der Fall bei einer Berufung gegen die Hauptsachenentscheidung des Ausgangsgerichts der Fall wäre.

Die Entscheidung zur Übertragung auf den Senat war den Parteien vor der Entscheidung des Senats bekanntzugeben, da ihnen der gesetzliche Richter, der über das Rechtsmittel entscheidet, vor der Entscheidung bekannt sein muss. Es war ihnen vor der Entscheidung des Einzelrichters aber keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu in Betracht kommenden Übertragung zu geben, da die Entscheidung nur dazu führt, dass statt des Einzelrichters der Senat in seiner vollen Besetzung über den Rechtsbehelf entscheidet und diese Folge kein Weniger in der Rechtsgewährung darstellt. Anders als im Fall des § 526 ZPO i.d.F. ab 1.1.2002 (Übertragung auf den Einzelrichter des Berufungsgerichts) ist daher das rechtliche Gehör vor der Übertragung nicht zu gewähren.

Dr. Büttner

 

Fundstellen

Haufe-Index 1107087

NJW 2002, 1436

FamRZ 2002, 1268

EzFamR aktuell 2002, 300

MDR 2002, 1147

OLGR Düsseldorf 2002, 64

OLGR Frankfurt 2002, 64

OLGR Hamm 2002, 64

OLGR Köln 2002, 260

OLGR Köln 2002, 64

FF 2002, 109

KG-Report 2002, 64

KammerForum 2002, 393

OLGR-BHS 2002, 64

OLGR-CBO 2002, 64

OLGR-KSZ 2002, 64

OLGR-KS 2002, 64

OLGR-MBN 2002, 64

OLGR-NBL 2002, 64

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge