Entscheidungsstichwort (Thema)

Internationales Privatrecht (Haager Unterhaltsprotokoll); Ehegattenunterhalt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Internationale Zuständigkeit und das anwendbare materielle Recht ist seit dem 18.6.2011 die Europäische Unterhaltsverordnung (EuUntVO) und das Haager Unterhaltsprotokolls (HUP) zu beachten.

2. Auch für eine in Deutschland nach polnischem Recht geschiedene Ehe kann unter Anwendung des seit dem 18.6.2011 geltenden Haager Unterhaltsprotokolls (HUP) deutsches materielles Recht zur Anwendung kommen, wenn Unterhalt für die Zeit nach diesem Stichtag geltend gemacht wird.

 

Normenkette

EuUntVO Art. 3a); HUP Art. 3; BGB §§ 1580, § 1571 ff.

 

Verfahrensgang

AG Geilenkirchen (Beschluss vom 04.07.2011; Aktenzeichen 12 F 128/11)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 21.7.2011 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Geilenkirchen vom 4.7.2011 - 12 F 128/11 - abgeändert und ihr unter Beiordnung von Rechtsanwalt C. aus B. für den Auskunftsantrag Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 Nr. 2, 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 127 Abs. 2 S. 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässig und begründet. Der anhängig gemachte Auskunftsantrag ist zulässig und in der Sache hinreichend erfolgversprechend.

Insbesondere ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist, gegeben. Sie ergibt sich seit dem 18.6.2011 aus Art 3a) der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates v 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (ABl EU Nr L 7 v 10.1.2009, S 1 - im Folgenden EuUntVO - Text in Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., Anh II H.; vgl. auch Palandt/Thorn, BGB, 70. Aufl., Art. 18 EGBGB Rz. 2; Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 9 Rz. 2). Aber auch nach dem vorher geltenden Recht (Art 2 EuGVVO - Verordnung (EG) Nr. 44/2001 v 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen) ist das AG Geilenkirchen international - und nach §§ 232 Abs. 3 FamFG, 13 ZPO örtlich - zuständig, weil der Antragsgegner im dortigen Gerichtsbezirk seinen Wohnsitz hat (vgl. auch Motzer, FamRBint 2011, 56, 57).

Für die Frage, welches materielle Unterhaltsrecht für die 2001 vom AG Aachen - 22 F 82/00 - nach polnischem Recht geschiedenen Eheleute maßgebend ist, ist seit dem 18.6.2011 nicht mehr auf Art 8 HUÜ 73 (Art. 18 Abs. 4 EGBGB) abzustellen, sondern auf Art 3 des Haager Unterhaltsprotokolls (Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007; als Datei zu finden unter www.hcch.net/index_de.php?act=conventions.textcid= 133 - im Folgenden HUP; Palandt/Thorn, BGB, 71. Aufl. hinter Art. 17b EGBGB), nachdem Art. 18 EGBGB mit Wirkung zum 18.6.2011 aufgehoben worden ist (Art. 12 Nr. 3 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 4/2009 und zur Neuordnung bestehender Aus- und Durchführungsbestimmungen auf dem Gebiet des internationalen Unterhaltsverfahrensrechts vom 23.5.2011, BGBl. I 2011, 898, 917; Conti/Bißmaier, FamRBint 2011, 62, 63; vgl. auch Art 15 EuUntVO; Dose, a.a.O., Rz. 4; Thorn, a.a.O., vor Art 1 HUP). Aus Art 22 HUP ergibt sich im Umkehrschluss, dass die Regelungen auf alle Unterhaltspflichten Anwendung finden, die nach dem 18.6.2011 entstanden sind oder wenn Unterhalt für die Zeit ab 18.6.2011 verlangt wird (Conti/Bißmaier, a.a.O., S. 64 m.w.N.; Dose, a.a.O., Rz. 2; Thorn, a.a.O., Art 22 HUP Rz. 60). Im vorliegenden Fall begehrt die Antragstellerin zunächst noch Verfahrenskostenhilfe für eine Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragsgegners. Im Rahmen des beabsichtigten Stufenantrags soll dann erst nach Auskunftserteilung die Höhe des Unterhaltsanspruchs konkretisiert werden. Da die 67-jährige Antragstellerin derzeit Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 41 ff. SGB XII von der Stadt I. erhält, ist ihr Unterhaltsanspruch mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch gem. § 94 I 1 SGB XII auf jene übergegangen. Für die Vergangenheit fehlt es der Antragstellerin damit an der Aktivlegitimation (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., vor § 50 ZPO Rz. 18; FA-FamR/Diehl, 8. Aufl., Kap. 14 Rz. 92, 146) und dem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe an der Erfolgsaussicht (Vollkommer, a.a.O., und Zöller/Greger, a.a.O., vor § 253 ZPO Rz. 25). Für den Zeitpunkt ab Rechtshängigkeit - die noch nicht eingetreten ist - und dem dann fällig werdenden Unterhalt ist die Antragstellerin jedoch anspruchsbefugt (vgl. Klinkhammer in Wendl/Dose, § 8 Rz. 108). Damit können nur zukünftige und jedenfalls nach Juni 2011 entstehende Ansprüche mit der erforderlichen Erfolgsaussicht geltend gemacht werden.

Für diese gilt nach Art 3 Abs. 1 HUP deutsches (materielles) Unterhaltsrecht. Denn die Antragstellerin als berechtig...

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