Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiordnung eines Pflichtverteidigers bei Entscheidung über die Aussetzung der Unterbringung

 

Leitsatz (amtlich)

›In Fällen der Aussetzung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung ist regelmäßig ein Fall notwendiger Verteidigung gegeben.‹

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Entscheidung vom 27.10.2004; Aktenzeichen 52 StVK 631/04)

 

Gründe

I. Gegen den Untergebrachten wurde durch Urteil des Landgerichts Bonn vom 20.05.1999 (Ks 92 Js 1233/98 - 24 N 1/99) wegen versuchten Totschlags die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Er hatte versucht, seine Mutter zu töten, wobei er jedoch unter dem Einfluss einer akuten Psychose gestanden und deshalb nicht schuldhaft gehandelt hatte. Nach den Feststellungen der Schwurgerichtskammer litt der Untergebrachte bereits seit den achtziger Jahren unter einer paranoiden Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis.

Die Unterbringung wird in den Rheinischen Kliniken Bonn vollzogen. Mit Schreiben vom 18.10.2004, eingegangen beim Landgericht Bonn am 27.10.2004 teilte der bisherige Verteidiger des Untergebrachten mit, dass er das Mandat niederlege. Er erschien dementsprechend auch nicht zu der am 27.10.2004 durchgeführten Anhörung des Untergebrachten.

Die Strafvollstreckungskammer lehnt in der fristgerecht angefochtenen Entscheidung die Aussetzung der Maßregel zur Bewährung ab. Die bislang eingetretene Besserung des Zustandes rechtfertige noch keine positive Prognose, vielmehr bedürfe es erst noch einer längeren Erprobung. Der Untergebrachte beanstandet einige aus seiner Sicht falsche Angaben in der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer sowie, dass kein Gutachten eingeholt wurde.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat vorläufig Erfolg. Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer leidet unter einem erheblichen Verfahrensfehler.

1. Der Untergebrachte war bei seiner Anhörung am 27.10.2004 nicht mehr anwaltlich vertreten. Hiervon konnte die Strafvollstreckungskammer zwar zum Zeitpunkt der Anhörung noch nichts wissen, da das entsprechende Telefax-Schreiben des früheren Verteidigers erst eine Stunde nach dem Anhörungstermin bei Gericht einging, es war ihr jedoch bei der Beratung und Abfassung der Entscheidung bekannt. Der untergebrachte selbst hatte bereits vorher - Schreiben vom 19.10.2004 - auf das aus seiner Sicht gestörte Vertrauensverhältnis zu seinem früheren Verteidiger hingewiesen.

Das Fehlen eines Verteidigers im Rahmen des Verfahrens gemäß §§ 67e StGB, 462a StPO stellt einen schweren Verfahrensfehler dar, denn es handelte sich um einen Fall notwendiger Verteidigung (§ 140 Abs. 2 StPO analog). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bereits 1992 entschieden, "dass eine Person, die in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht ist, weil sie Straftaten begangen hat, für die sie aufgrund ihrer Geisteskrankheit nicht verantwortlich gemacht werden kann, in den nachfolgenden Verfahren, in denen es um die Fortsetzung, Aussetzung oder Beendigung ihrer Unterbringung geht, anwaltlichen Beistand erhalten muss, wenn nicht besondere Umstände vorliegen" (NJW 1992, 2945, 2946). Dem schließt sich der Senat an (ebenso bereits OLG Stuttgart, StV 1993, 378; OLG Düsseldorf, StV 1996, 221; OLG Karlsruhe, StV 1997, 314, 315; NStZ-RR 2004, 19 (LS); thür. OLG, StV 1997, 540; OLG Braunschweig, StV 2001, 21), denn ungeachtet der Intelligenz und Gewandtheit des Untergebrachten ist es nach der Erfahrung des Senats gerade in Fällen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vielfach die Erkrankung selbst, die ihn daran hindert, sich selbst sachgerecht zu vertreten. Hinzu kommen die besondere Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, dass die rechtliche Entscheidung maßgeblich von der Beurteilung medizinischer Vorfragen abhängt. Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar.

2. Aufgrund dieses Verfahrensfehlers ist die Sache abweichend von der Regel des § 309 Abs. 2 StPO an die Strafvollstreckungskammer zurück zu verweisen. Der Verteidiger soll dem Untergebrachten insbesondere auch im Rahmen der Anhörung beistehen. Der Senat führt selbst im Beschwerdeverfahren grundsätzlich keine Anhörung durch (ebenso OLG Düsseldorf, StV 1996, 221; OLG Braunschweig, StV 2001, 21f.; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2004, 19 (LS))..

III. Die grundsätzlich erforderliche Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 464 Abs. . 1 StPO) ist dem Senat nicht möglich, da diese von der erst noch zu treffenden Entscheidung in der Hauptsache abhängt. Diese Entscheidung ist deshalb von der Strafvollstreckungskammer im Zusammenhang mit der Entscheidung in der Hauptsache zu treffen (Franke, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 5. Aufl., 2003, § 464 Rdnr. 3).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2580561

NStZ 2005, 466

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