Verfahrensgang

LG Köln (Entscheidung vom 31.05.2011; Aktenzeichen 26 O 21/11)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 31.05.2011 - 26 0 21/11 - abgeändert.

Der Beklagten wird für die erste Instanz ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt; zugleich wird ihr zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte in dieser Instanz Rechtsanwalt T aus L beigeordnet.

 

Gründe

Die gemäß § 127 Abs. 2, Abs. 3 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Beklagten ist begründet. Das Landgericht hat der Beklagten die nachgesuchte Prozesskostenhilfe zu Unrecht verweigert.

1.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe sind gegeben. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand bietet die Rechtsverteidigung der Beklagten hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO.

Zwar hat die Klägerin einen Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB schlüssig vorgetragen. Ungeklärt ist aber noch, ob diesem derEinwand des Wegfalls der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB entgegensteht.

a)

Die Voraussetzung für einen Kondiktionsausschluss nach § 814 1. Alt. BGB liegen allerdings nicht vor. Ein solcher setzt die positive Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld voraus, welche der Leistungsempfänger zu beweisen hat (vgl. Sprau in: Palandt, BGB, § 814 Rn. 11). Eine derartige

Kenntnis der Klägerin ergibt sich noch nicht allein daraus, dass diese unstreitig das Schreiben der Beklagten vom 04.06.2004 erhalten hat, mit dem die Beklagte der Geltung des Rentenversicherungsvertrages nach § 5 a VVG a.F. widersprochen hat. Hat - wie auch vorliegend - ein Vertreter des Schuldners die Leistung erbracht, so kommt es analog § 166 Abs. 1 BGB auf dessen Kenntnis an (vgl. BGH NJW 1979, 763), wobei bei mehreren Vertretern die Kenntnis desjenigen maßgeblich ist, der die Leistung bewirkt hat (vgl. OLG Köln [Senat] NJW-RR 2010, 244, 245; OLG Stuttgart OLGR 2006, 711; OLG Hamm VersR 1996, 878; Schwab in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 814 Rn. 14; Lorenz in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2007, § 814 Rn. 5). Dass die Leistungsabteilung der Klägerin, welche die Rentenzahlungen veranlasst hat, Kenntnis von dem Widerspruchsschreiben hatte, hat die Beklagte nicht unter Beweis gestellt. Soweit sie behauptet, ihr Widerspruch sei in das Computersystem eingescannt worden und auch die Leistungsabteilung der Klägerin habe auf diesen Datenbestand zugreifen können, kommt es hierauf nicht entscheidend an. Selbst wenn dieser Vortrag zuträfe, ergibt sich hieraus nicht, dass die Leistungsabteilung der Klägerin vor Auszahlung der Rentenbeträge tatsächlich überprüft hat, ob der Vertrag nicht widerrufen worden ist. Auch unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens kann das Wissen der Mitarbeiter der Vertragsabteilung denjenigen der Leistungsabteilung nicht zugerechnet werden. Beruht die Leistung auf einem - wenn auch grob fahrlässigen -Versehen, so findet § 814 BGB keine Anwendung (vgl. Senat, a.a.O.); denn die Vorschrift, die eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben darstellt, versagt dem Leistenden den Rückforderungsanspruch wegen widersprüchlichen Verhaltens. Ein Organisationsmangel ist aber nicht ein Fall des widersprüchlichen, sondern des vorwerfbaren Verhaltens, so dass die Rechtsprechung zur rechtsgeschäftlichen Zurechnung im Schadensersatz- und Haftungsrecht auf die Kenntnis im Sinne des § 814 1. Alt. BGB nicht übertragbar ist (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.).

Beweisantritt vorgetragen, dass sie die empfangenen Leistungen zur Deckung ihres täglichen Lebensbedarfs verbraucht habe, ohne dass diese noch in anderer Form - etwa der Bildung von Ersparnissen - in ihrem Vermögen vorhanden wären, und damit die Voraussetzungen des § 818 Abs. 3 BGB dargetan Den diesbezüglichen Beweisantritten wird das Landgericht gegebenenfalls nachzugehen haben.

c)

Dass die Beklagte bei Erhalt der Rentenleistungen bösgläubig im Sinne von § 819 Abs. 1 BGB gewesen ist, hat die Klägerin zu beweisen (vgl. Sprau, a.a.O., § 819 Rn. 10). Erforderlich dafür ist grundsätzlich die positive Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt, sowie der Rechtsfolgen des fehlenden Rechtsgrundes (vgl. Sprau, a.a.O., § 819 Rn. 2). Von einer solchen Kenntnis kann aber nach dem Vortrag der Beklagten, sie habe angenommen, ihr Ehemann habe seine Zusage, den Einmalbetrag in die Rentenversicherung einzuzahlen, doch noch erfüllt und hierdurch habe sich ihr Schreiben vom 04.06.2004 erledigt bzw. dieses sei der Klägerin nicht zugegangen, nicht ohne weiteres ausgegangen werden.

2.

Nach den von der Beklagten durch den ausgefüllten Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse glaubhaft gemachten Einkommens- und Vermögensverhältnissen ist diese auch nicht in der Lage, die voraussichtlich anfallenden Prozesskosten auf einmal oder in vier Monatsraten zu erbringen.

3.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI...

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