Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil. Elterliche Sorge

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt voraus, dass die Eltern bereit und in der Lage sind, miteinander im Interesse der Kinder zu kooperieren. Ein Mindestmaß an Konsens- und Kooperationsbereitschaft ist dabei unerlässlich.

2. Fehlt es an diesem Mindestkonsens, ist gem. § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB einem Elternteil auf seinen Antrag hin die elterliche Sorge allein zu übertragen, weil nur die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und deren Übertragung auf einen Elternteil allein dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

 

Normenkette

ZPO § 114; BGB § 1671 Abs. 1, 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 16.06.2004; Aktenzeichen 40 F 353/02)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - FamG - Bonn vom 16.6.2004 - 40 F 353/02 - wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

2. Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen.

3. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin H. beigeordnet.

 

Gründe

1. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist in der Sache nicht begründet.

Zu Recht und aus zutreffenden Erwägungen hat das AG die alleinige elterliche Sorge auf die Antragstellerin übertragen.

Die Beschwerde, mit der der Antragsgegner ausschließlich die Wiederherstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge erstrebt, gibt keinen Anlass, abweichend zu entscheiden.

Gemäß § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB ist einem Elternteil auf seinen Antrag die elterliche Sorge allein zu übertragen, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und deren Übertragung auf einen Elternteil allein dem Wohl der Kinder am besten entspricht. Das ist hier der Fall.

Die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt voraus, dass die Eltern beide bereit und in der Lage sind, miteinander im Interesse der Kinder zu kooperieren, ein Mindestmaß an Konsens- und Kooperationsbereitschaft ist unerlässlich. Hier ist es jedoch so, dass die Parteien in grundsätzlichen Erziehungsfragen unterschiedlicher Meinung sind und zwischen ihnen darüber hinaus ein tiefgreifendes Zerwürfnis besteht, das sie hindert, die Belange der Kinder gemeinsam wahrzunehmen. Nach den Feststellungen der Sachverständigen instrumentalisieren beide Parteien sogar die Kinder für ihre eigenen Interessen und Rachegefühle. Ein Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge würde den Kampf der Parteien nur weiter fördern. Die negativen und schädlichen Auswirkungen auf die Kinder, die bereits erheblich verhaltensgestört sind, sind vorhersehbar.

Jedenfalls zur Zeit gibt es keine Basis für eine gedeihliche Ausübung der elterlichen Sorge gemeinsam durch beide Parteien. Insoweit wird auch auf die vom AG geschilderten Erfahrungen über den Umgang der Parteien miteinander verwiesen, die der Antragsgegner auch nicht in Abrede gestellt hat.

Der vom Antragsgegner in der Beschwerde behauptete Mindestkonsens kann nicht festgestellt werden.

Die "Vereinbarungen" zum Umgangsrecht haben die Parteien nicht allein miteinander getroffen. Sie sind vielmehr vor Gericht ausgehandelt oder vom Gericht angeordnet worden, wie z.B. die Betreuung der Kinder durch den Vater in der Zeit, in der die Mutter im Krankenhaus lag. Nach dem Bericht der Verfahrenspflegerin sind die Vereinbarungen zum Umgangsrecht auch nicht etwa problemlos durchgeführt worden, vielmehr konnten sie nur deshalb stattfinden, weil die Verfahrenspflegerin zwischen den Parteien vermittelt hat.

Anders als der Antragsgegner vorträgt, hat es in der Vergangenheit auch erhebliche Schwierigkeiten bei der Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge gegeben, bei denen ebenfalls die Verfahrenspflegerin vermittelt hat.

Die vom Antragsgegner geäußerten Bedenken, der Antragstellerin das alleinige Sorgerecht zu übertragen, können in dieser Form nicht geteilt werden.

Zwar hat die Sachverständige wegen der Erziehungsdefizite der Mutter in erster Linie empfohlen, die Kinder fremd unterzubringen. Jedoch hat sie für den Fall, dass eine Fremdunterbringung nicht erfolgen sollte, ausdrücklich empfohlen, den Lebensmittelpunkt der Kinder bei der Mutter vorzusehen.

Da die Antragstellerin anders als der Antragsgegner bereit und in der Lage ist, die Schwierigkeiten der Kinder zu erkennen und die vielfältig angebotene Hilfestellung in Anspruch zu nehmen und dies auch getan hat, hat sie in den Monaten nach Erstellung des Gutachtens nach den Feststellungen der Mitarbeiter der Diakonie erhebliche Fortschritte gemacht. Auch die Kinder haben sich gut entwickelt, so dass das AG zu Recht davon abgesehen hat, die Kinder fremd unterzubringen. Dieses Ziel verfolgt auch der Antragsgegner nicht mit seiner Beschwerde. Da er aber anders als die Antragstellerin nicht bereit ist, die erzieherischen Hilfsangebote anzunehmen, was für ihn ebenso w...

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