Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 12 O 533/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Aachen (12 O 533/20) vom 06.07.2021 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Kläger.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 74.092,06 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Entschädigungsansprüche aufgrund Corona-bedingter Betriebsuntersagung geltend.

Er betreibt als selbstständiger Unternehmer eine Diskothek in der Nähe von Aachen. Am 22. März 2020 erließ das beklagte Land unter Berufung auf §§ 32, 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG die zeitlich befristete Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (GV. NRW. 2020. S. 178a). Diese Verordnung enthielt in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ein landesweites Verbot u. a. für den Betrieb von Diskotheken, Clubs und ähnlichen Einrichtungen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Verordnung wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen. Die Betriebsuntersagung blieb durch Anschlussverordnungen aufrechterhalten.

Der Kläger hat behauptet, ihm sei durch die staatlich angeordnete Schließung seines Betriebs ein Schaden in Höhe von 69.092,06 EUR entstanden.

Mit Urteil vom 06.07.2021, Az.: 12 O 533/20, auf welches wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien, der Begründung im Einzelnen sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht Aachen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch aus § 56 IfSG lägen nicht vor. Bei dem Kläger handele es sich weder um einen Ausscheider, Ansteckungsverdächtigen, Krankheitsverdächtigen oder sonstigen Träger von Krankheitserregern. Auch Ansprüche aus § 65 Abs. 1 IfSG stünden dem Kläger nicht zu. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift seien nur Infektionsverhütungsmaßnahmen gemäß §§ 16 und 17 IfSG anspruchsbegründend. Infektionsbekämpfungsmaßnahmen, und allein solche hätten den Kläger getroffen, seien nicht vom Entschädigungstatbestand des § 65 Abs. 1 IfSG erfasst. Eine analoge Anwendung der im IfSG geregelten Entschädigungstatbestände gemäß §§ 56, 65 IfSG komme ebenfalls nicht in Betracht, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Ein Zahlungsanspruch aus § 39 Abs. 1 lit. a OBG NRW scheide aus, weil keine individuelle Maßnahme speziell gegen den Kläger in Rede stehe. Bei den Betriebsschließungen habe es sich um Maßnahmen gehandelt, von denen eine Vielzahl von unterschiedlichen Betriebsinhabern in ganz Deutschland betroffen gewesen seien. Ein Zahlungsanspruch aus dem Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs komme ebenfalls nicht in Betracht, weil es an einem dem Kläger auferlegten Sonderopfer fehle.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit dem Rechtsmittel der Berufung.

Er ist weiterhin der Ansicht, ihm müsse ein Entschädigungsanspruch zustehen, da ihm die Verfügungsgewalt über sein Eigentum in essenziellen Bereichen entzogen worden sei. Ein solcher Eingriff könne nur gerechtfertigt sein, wenn gleichzeitig eine angemessene Entschädigung vorgesehen werde. Die verabschiedeten Hilfspakete im Zuge der Corona-Krise könnten eine solche Entschädigung nicht ersetzen. Sie seien unabhängig von den Eingriffen gewährt worden und dienten lediglich dem Auffangen der konjunkturellen Schwankungen. Jedenfalls könne der von Betriebsschließungen besonders stark betroffenen Wirtschaftsbranche des Klägers eine entschädigungslose Hinnahme der pandemiebedingten Staatseingriffe nicht zugemutet werden. Es könne dogmatisch nicht korrekt und auch nicht der Wille des Gesetzgebers sein, dass ein Unternehmer, der aufgrund von Unachtsamkeit die Verbreitung des Coronavirus in seinem Unternehmen zu verantworten habe und sodann aufgrund der Infektion den Betrieb schließen müsse, entschädigt werde, während ein anderer Unternehmer, der sich rechtmäßig und vorsichtig verhalten habe, keine Entschädigung für den im Zuge der Schließung seines Betriebes entgangenen Gewinn erhalte. § 56 IfSG sehe den Ersatz von Verdienstausfall vor, auch für selbständig tätige Unternehmer. Dort werde der Unternehmerlohn berücksichtigt, dem Kläger hingegen solle der entgangene Gewinn nicht erstattet werden. Nach Auffassung des Klägers müsse bei der Gesamtbetrachtung des Pandemieverlaufes letztlich erkannt werden, dass die Unternehmer, die eine Discothek betrieben, nicht entschädigungslos zurückgelassen werden könnten. Der Verweis auf gezahlte "Soforthilfen" oder etwa die so genannte "Novemberhilfe" sei nicht ausreichend. Es sei auch nicht zutreffend, ein Sonderopfer zu verneinen. Bei den Diskothekenbetreibern handele es sich um eine der am stärkste...

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