Verfahrensgang

AG Düren (Aktenzeichen 25 F 387/15)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 15.6.2016 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Düren vom 3.5.2016 (Az. 25 F 387/15) abgeändert und sein Tenor wie folgt neu gefasst:

Die Anträge des Antragstellers werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen trägt der Antragsteller.

Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.122 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wurde durch das als Anl. A 1 (Bl. 6) zur Gerichtsakte gereichte Schluss- und Versäumnisurteil vom 7.1.2008 verurteilt, an die Antragsgegnerin ab dem 1.4.2007 Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 223 EUR zu zahlen. Letztmalig fällig war der Trennungsunterhalt im Monat April 2008.

Aufgrund dieses Titels betrieb die Antragsgegnerin im Jahre 2008 die Zwangsvollstreckung. Der Antragsteller gab am 26.11.2008 die eidesstattliche Versicherung ab. Der Antragsteller verlegte in der Folge seinen Wohnsitz von E nach L, von dort zurück nach E und sodann nach O. Im Jahre 2015 trat die Antragsgegnerin erneut - durch ein Inkassobüro - an den Antragsteller heran und begehrte aus dem Titel die Zahlung von 3.122 EUR. Hiernach leitete sie erneut die Zwangsvollstreckung ein.

Der Antragsteller hat erstinstanzlich die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Schluss- und Versäumnisurteil des Amtsgerichts Düren sowie die Herausgabe des Titels beantragt.

Hierzu hat er die Auffassung vertreten, die titulierten Ansprüche seien verwirkt. Da die Antragsgegnerin über sieben Jahre hinweg keine Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen habe, habe er sich darauf eingestellt, dass dies auch künftig nicht mehr erfolgen werden.

Die Antragsgegnerin hat behauptet, der Antragsteller habe sich durch mehrere Umzüge bewusst der Vollstreckung zu entziehen versucht. Nach der im Jahr 2008 abgegebenen eidesstattlichen Versicherung sei sie aus Rechtsgründen für drei Jahre an der erneuten Beantragung einer Vermögensauskunft gehindert gewesen. Aus ihrem Nichtstun habe kein schützenswertes Vertrauen entstehen können.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 3.5.2016 die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt und die Antragsgegnerin zur Herausgabe des Titels an den Antragsteller verpflichtet. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Ansprüche seien verwirkt, da die Antragsgegnerin nach der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 26.11.2008 in keinster Weise deutlich gemacht habe, dass sie auf die Durchsetzung ihrer Unterhaltsansprüche nicht verzichten wolle.

Gegen den ihr am 18.5.2016 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 17.6.2016 Beschwerde eingelegt. Mit der Beschwerde begehrt sie die Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses sowie die Zurückweisung der erstinstanzlich vom Antragsteller gestellten Anträge. Zur Begründung führt sie an, das Nichtstun erfülle die Kriterien des Umstandsmoments nicht, so dass die Ansprüche nicht verwirkt seien.

Der Antragsteller verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

II.

Der Senat hat die Beteiligten am 29.9.2016 darauf hingewiesen, dass und weshalb er beabsichtigt, den Beschluss des Amtsgerichts abzuändern und die Anträge zurückzuweisen. Der Senat hat hierzu wie folgt ausgeführt:

"Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sind die titulierten Ansprüche nicht verwirkt. Der Einwand der Verwirkung stellt einen Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) dar und setzt sich aus einem Zeit- und einem Umstandsmoment zusammen. Danach ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (vgl. BGH NJW-RR 2014, 195).

Ob die Zeitspanne von sieben Jahren vorliegend geeignet ist, ein hinreichendes Zeitmoment zu begründen, kann im Ergebnis offen bleiben, da jedenfalls kein der Antragsgegnerin zuzurechnendes Verhalten vorliegt, das geeignet gewesen wäre, ein berechtigtes Vertrauen des Antragstellers zu begründen, die Antragsgegnerin werde ihre Forderungen nicht mehr weiterverfolgen. Es trifft zwar zu, dass bei der Titulierung laufender Unterhaltsforderungen dem Schutz des Schuldners ein besonderes Interesse beigemessen wird. Dieses wird maßgeblich damit begründet, dass der Schuldner bei fortlaufenden, erst nach Rechtskraft des Titels fällig werdenden Verpflichtungen einer nicht mehr zu überblickenden Schuldenlast ausgesetzt sein kann, wenn die titulierten Forderungen nicht zeitnah geltend gemacht werden. Umgekehrt bringe der Gläubiger, dessen laufenden Lebensunterhalt ein solcher Titel letztlich sicherstellen soll durch ein Nichtstun zum Ausdruck, dass er auf die titulierten Forderungen nicht angewiesen zu sein scheine. Diese Erwägungen kommen hier indes nur begrenzt zum Tragen. Der Titel vom 7.1.2008 erstreckt sich bis einschließlich Januar 2008...

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