Entscheidungsstichwort (Thema)

Mittellosigkeit des Betreuten; nicht verwertbares Vermögen bei Erbschaft. Mittellosigkeit. Betreuung. verwertbares Vermögen

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Betreuter ist trotz Anfalls einer Erbschaft mittellos gem. §§ 1835 Abs. 4, 1836c BGB i.V.m. § 90 Abs. 1 SGB XII, wenn das ererbte Vermögen einer zeitlich unbeschränkten Testamentsvollstreckung unterliegt und ihm daraus nur ein monatliches Taschengeld ausgezahlt werden darf. Das ererbte Vermögen ist in diesem Fall nicht verwertbar i.S.d. § 90 SGB XII.

 

Normenkette

BGB §§ 1835, 1836c; SGB XII § 90

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 21.10.2008; Aktenzeichen 1 T 331/08)

AG Köln (Beschluss vom 01.08.2008; Aktenzeichen 60 XVII B 167)

 

Tenor

Dem Beteiligten zu 1. wird Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gewährt.

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. werden der Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Köln vom 21.10.2008 - 1 T 331/08 - und der Beschluss des AG Köln vom 1.8.2008 - 60 XVII B 167 - aufgehoben.

Der Vergütungsanspruch des Berufsbetreuers X T. vom 8.6.2008 richtet sich dem Grunde nach in voller Höhe gegen die Staatskasse, §§ 1908i, 1836 Abs. 1, 1835 Abs. 4 BGB, § 4 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 VBVG.

Die Festsetzung der Höhe der Vergütung wird dem Vormundschaftsgericht übertragen.

 

Gründe

1. Dem Beschwerdeführer ist Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist zu gewähren, da ihm die angegriffene Entscheidung ohne Rechtsmittelbelehrung zugestellt und damit die Fristversäumung entschuldigt worden ist, § 22 Abs. 2 FGG.

2. Die vom Beschwerdegericht zugelassene und auch sonst zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Entscheidung des LG ist nicht rechtsfehlerfrei (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO), da der Betroffene trotz des durch Erbschaft erworbenen Vermögens nicht leistungsfähig ist i.S.d. §§ 1835 Abs. 4, 1836c BGB ist.

Die Vorinstanzen gehen davon aus, dass der Betroffene sein Vermögen gem. § 1836c Nr. 2 BGB i.V.m. § 90 SGB XII einzusetzen hat und verweisen darauf, dass ihm aufgrund seiner Erbenstellung nach dem Tod seines Großvaters in Wertpapieren angelegtes Vermögen im Wert von rund 70.000 EUR zugefallen ist. Dieses Vermögen ist für den Betroffenen indes kein verwertbares Vermögen i.S.d. § 90 Abs. 1 SGB XII. Denn das ererbte Vermögen unterliegt der Testamentsvollstreckung. Der Erblasser hat für den Erbteil des Betroffenen Testamentsvollstreckung ohne zeitliche Beschränkung angeordnet, weil der Betroffene - so der Erblasser - "unter Verschwendungssucht leidet". Ferner ist in dem Testament vorgesehen, dass der Testamentsvollstrecker den Erbteil verwalten und an den Betroffenen monatlich nur den Reinertrag des Vermögens auszahlen soll. Sonderzahlungen aus diesem Vermögen sind dem Testamentsvollstrecker nur erlaubt, soweit sie der beruflichen Ausbildung oder Fortbildung des Betroffenen dienen. Unter "Verwertung" des Vermögens, wie sie § 90 SGB XII verlangt, ist nicht nur die Veräußerung, sondern jede Art der finanziellen Nutzbarmachung zu verstehen. Es fehlt an einer Verwertbarkeit, wenn dieser ein rechtliches oder tatsächliches Hindernis entgegensteht oder die Verwertung wirtschaftlich unvertretbar wäre (so m. w. n. BayObLG NJW-RR 2001, 1515; OLG Frankfurt v. 11.8.2008 - 20 W 211/08 - in juris). Im vorliegenden Fall liegt wegen eines rechtlichen Hindernisses eine Unverwertbarkeit des Vermögens vor. Aufgrund der angeordneten Testamentsvollstreckung und der mit ihr verbundenen Beschränkungen sind grundsätzlich Zahlungen aus dem Vermögensstamm nur in Ausnahmefällen zu Zwecken der beruflichen Bildung zulässig. Zu Auszahlungen für andere Zwecke ist der Testamentsvollstrecker nicht befugt. Er würde in einem solchen Fall eine Pflichtverletzung begehen und sich Schadensersatzansprüchen aussetzen. Da mit der Vergütung des Betreuers keine Verwendung für die berufliche Bildung des Betroffenen - auch bei weiter Auslegung der testamentarischen Bestimmung - gegeben ist, scheidet aus Rechtsgründen eine Entnahme aus dem Vermögen aus.

Eine andere Verwertung des Vermögens, die zwar theoretisch in Betracht kommen kann, wie z.B. in Form von Belastung, Verpfändung oder Bestellung eines Nießbrauchs, scheidet ebenfalls aus. Anders als das LG meint, kommt eine Verpfändung oder Sicherungsabtretung zur Erlangung eines Kredits nicht in Betracht. Es ist schon fraglich, ob diese Möglichkeit überhaupt praktisch umsetzbar ist, da das Vermögen der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegt und dieser aufgrund der testamentarischen Anordnungen kaum seine Zustimmung erteilen würde. Im Übrigen hat das Vormundschaftsgericht bereits ggü. dem Betreuer Bedenken gegen diese Verfahrensweise erhoben. Selbst wenn ein Kredit zur Zahlung der Betreuervergütung ausgezahlt würde, könnte der Betroffene, der über eine Rente von ca. 590 EUR verfügt, zusätzlich 150 EUR an Zinsen aus dem Vermögen vereinnahmt, aber auch noch Schulden zu tilgen hat, diesen nicht aus seinen Einkünften zurückzahlen. Eine Kreditgewährung ...

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