Tenor

  • 1.

    Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens gegen die Angeklagte I. L. und die der Angeklagten hierin entstandenen notwendigen Auslagen.

  • 2.

    Die Staatskasse trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Angeklagten hierin entstandenen notwendigen Auslagen.

 

Gründe

Der Angeklagten und ihrem Ehemann Wilhelm W. L. ist in der Anklage der Staatsanwaltschaft Aachen vom 30. Januar 1998 vorgeworfen worden, sich im Zusammenhang mit der von ihnen betriebenen Hundezucht in der Zeit von Anfang 1991 bis Ende 1995 jeweils gemeinschaftlich durch 360 selbständige Handlungen des Betruges, durch elf selbständige Handlungen der Vollstreckungsvereitelung, durch 64 selbständige Handlungen des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz und durch zehn selbständige Handlungen der Steuerhinterziehung strafbar gemacht zu haben.

Nachdem ein amtsärztliches Gutachten vom 20. Oktober 1999 ergeben hatte, dass die Angeklagte verhandlungsunfähig war, trennte die Strafkammer das Verfahren gegen sie noch vor Beginn der ab dem 9. März 2000 terminierten Hauptverhandlung durch Beschluss vom 7. Februar 2000 ab und stellte es - ersichtlich gemäߧ 205 StPO - vorläufig ein.

Der Ehemann der Angeklagten wurde durch Urteil der Strafkammer vom 28. September 2000 nach insgesamt 33 Verhandlungstagen wegen Betruges in 119 Fällen sowie wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Ein weiteres amtsärztliches Gutachten vom 28. November 2001 ergab die nunmehr dauerhafte Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten I. L. . Daraufhin stellte die Strafkammer das Verfahren gegen sie am 19. April 2002 endgültig ein (§ 206 a StPO).

Durch weiteren Beschluss vom 9. Oktober 2002 hat die Kammer die Kostenentscheidung bezüglich des Verfahrens gegen die Angeklagte getroffen. Danach

"fallen die Auslagen der Staatskasse zur Last. Es wird davon abgesehen, die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen."

Gegen den am 17. Oktober 2002 zugestellten Beschluss hat die Angeklagte durch ein am selben Tag bei Gericht eingegangenes Fax-Schreiben ihrer Verteidigerin vom 18. Oktober 2002 sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

1.

Die sofortige Beschwerde ist gemäߧ 206 a Abs.2, § 464 Abs.3 Satz 1, 1. Halbs. StPO statthaft und auch im übrigen zulässig. Zwar hatte die Angeklagte gegen die im Vorfeld erfolgte Einstellung nach § 206 a Abs.1 StPO selbst kein Beschwerderecht, weil sie hierdurch nicht beschwert war. Jedoch steht ihr bei einer ihr nachteiligen Kosten- und Auslagenentscheidung die sofortige Beschwerde zu. Die Beschränkung der Anfechtbarkeit einer Kosten- und Auslagenentscheidung nach § 464 Abs.3 Satz 1. 1.Halbs. StPO, gilt, wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, nicht, wenn gegen die Hauptentscheidung zwar ein Rechtsmittel statthaft ist, es einem bestimmten Prozessbeteiligten aber lediglich mangels Beschwer nicht zusteht (Senat, StraFo 1997, 18 f., Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 464 Rdn.19).

2.

Das Rechtsmittel ist auch in der Sache begründet.

a)

Wird ein Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses gemäߧ 206 a Abs.1 StPO eingestellt, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des bzw. der Angeklagten grundsätzlich der Staatskasse zur Last (§ 467 Abs.1 StPO).

Abeichungen von dieser Regel lässt das Gesetz nur für wenige Ausnahmefälle zu, von denen hier allein die in § 467 Abs.3 Satz 2 Nr. 2 StPO erfasste Fallgestaltung in Betracht kommt. Danach kann das Gericht davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn dieser wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist § 467 Abs.3 Satz 2 Nr. 2 StPO nur in Ausnahmefällen anwendbar (BGHSt 45, 108 [116] m.w.Nachw. u.a. auf die Entstehungsgeschichte). Seine Anwendung setzt zweierlei voraus:

Zum einen müsste die Angeklagte ohne das Vorliegen des Verfahrenshindernisses mit Sicherheit verurteilt worden sein (Senat NJW 1991, 505 ff.; Senat StraFo 2997, 18 f., hinreichenden Tatverdacht lassen ausreichen: BGH, NStZ 2000, 330; Kleinknecht/ Meyer-Goßner, a.a.O., § 467 Rdn.16). Dabei gebietet es die als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs.3 GG) verfassungsrechtlich verankerte und in Art. 6 Abs.2 MRK Bestandteil des positiven Rechts der Bundesrepublik Deutschland gewordene Unschuldsvermutung, dass unter Vermeidung von Erörterungen, die einer Schuldfeststellung gleichkommen, zu prüfen ist, ob die vorliegenden Verdachtsgründe die Überzeugung vermitteln, dass ohne das Eintreten eines Verfahrenshindernisses eine Verurteilung erfolgt wäre (vgl. hierzu im einzelnen: Senat, NJW 1991, 506 [507], bestätigt durch SenatsE vom 3. September 1996, 2 Ws 435/96).

Zum andern ist nach ganz überwiegender Auffassung Voraussetzung für die ...

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