Entscheidungsstichwort (Thema)

Sorgerecht, Aufenthaltsbestimmungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Erforschung des wahren Willens des Kindes, das sich gegenüber seinen Eltern in unterschiedlicher Weise dazu erklärt, bei wem von ihnen es grundsätzlich leben will, bedarf es der Einholung eines fundierten fachpsychologischen Gutachtens jedenfalls dann nicht, wenn es eine gewisse Reife hat (hier 12 Jahre) und seinen Willen bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Familiengericht nach der übereinstimmenden Einschätzung des Richters wie der bei dieser Verfahrenshandlung anwesenden Verfahrensbeiständin und Sachverständigen für Kinderpsychologie deutlich und ernsthaft geäußert hat.

2. Von dem Grundsatz der persönlichen Anhörung des im Sorgerechtsverfahren betroffenen Kindes auch in der Beschwerdeinstanz kann dann eine Ausnahme gemacht werden, wenn neue entscheidungserhebliche Tatsachen nicht vorgetragen sind, eine Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts nicht eingetreten ist und weder der Zeitablauf (letzte Anhörung durch das AG zeitnah) noch sonstige Gründe die nochmalige Anhörung des Kindes geboten erscheinen lassen.

 

Normenkette

FamFG §§ 26, 68 Abs. 3 S. 2, § 159 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 30.08.2012; Aktenzeichen 41 F 219/07 SO)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den von dem AG - Familiengericht - Bonn in der Sitzung vom 30.8.2012 erlassenen Beschluss - 41 F 219/07 SO - wird zurückgewiesen.

Die im Beschwerderechtszug entstandenen Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

II. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen den unter Ziff. I. näher bezeichneten Beschluss wird zurückgewiesen.

 

Gründe

zu Ziff. I.:

Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Mit dem im Tenor näher bezeichneten Beschluss hat das AG den von der Antragsgegnerin zuletzt in der Sitzung vom 30.8.2012 noch verfolgten sinngemäßen Antrag, ihr in Abänderung des Beschlusses des AG - Familiengericht - Bonn vom 6.6.2007 - 41 F 360/06 - das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind allein zu übertragen, zu Recht und mit zutreffender Begründung zurückgewiesen.

Zu dieser Entscheidung im schriftlichen Verfahren sieht sich der Senat nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG befugt und veranlasst, weil zur abgetrennten Folgesache "Elterliche Sorge" erstinstanzlich mehrmals verhandelt und das Kind K auch mehrmals und zeitnah angehört worden ist und von der Wiederholung dieser Verfahrenshandlungen keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten sind. Zwar ist auch ein Kind, das das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, gem. § 159 Abs. 2 FamFG persönlich anzuhören, wenn die Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind oder wenn eine persönliche Anhörung aus sonstigen Gründen angezeigt ist. Diesem Gebot hat das AG ungeachtet von in früheren Jahren mehrmals durchgeführten entsprechenden Verfahrenshandlungen durch die persönlichen Anhörungen am 21.8.2012 und am Folgetag genügt. Der Senat verkennt nicht, dass die Verpflichtung zur persönlichen Anhörung des Kindes grundsätzlich auch für das Beschwerdegericht gilt, die nochmalige persönliche Anhörung also die Regel ist. Von diesem Grundsatz kann nach der Auffassung des Senats indessen eine Ausnahme gemacht werden, wenn neue entscheidungserhebliche Tatsachen sind nicht vorgetragen sind, eine Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts nicht eingetreten ist und weder der Zeitablauf noch sonstige Gründe die nochmalige Anhörung des Kindes geboten erscheinen lassen (vgl.: Engelhardt in Keidel, FamFG, 17. Aufl., § 159 Rz. 22). So liegt der Fall hier. Das Kind ist im ersten Rechtszug noch zeitnah zur Beschwerdeentscheidung in gehöriger Form angehört worden ist, die Anhörung ist in Anwesenheit weiterer zwei "neutraler" Personen (der Verfahrensbeiständin und des Sachverständigen Prof. Q) erfolgt und auch diese haben die Erklärungen des Kindes bei der Anhörung ausweislich des Sitzungsprotokolls als deutlich und ernsthaft beurteilt haben. Zudem wurde K auch noch zeitlich danach zu seinem Willen befragt, nämlich durch die Verfahrensbeiständin, die diesen in ihrer an den Senat gerichteten Stellungnahme vom 12.12.2012 gleichbleibend dokumentiert hat, wie auch durch den für ihn in dem auf Anzeige der Antragsgegnerin vom 30.8.2012 gegen den Antragsteller wegen des Verdachts des Missbrauchs von Schutzbefohlenen von der Staatsanwalt Bonn zum Aktenzeichen 773 Js 275/12 eingeleiteten Ermittlungsverfahren bestellten Ergänzungspfleger Rechtsanwalt C, wozu sich dessen an das Familiengericht zur Ergänzungspflegschaftssache 454 F 57/12 des AG Bonn gerichteter Bericht vom 13.11.2012 über ein persönliches Gespräch mit K am 12.11.2012 verhält und in dem ebenfalls von einem gleichbleibenden Willen des Kindes die Rede ist. Änderungen im Tatsächlichen oder Rechtlichen sind nicht dargetan und nicht ersichtlich.

Der angefochtene Be...

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