Leitsatz (amtlich)

Wird die Hauptsache nur mit Wirkung für die Zukunft für erledigt erklärt, mit der Folge, dass ein bereits erlassener Unterlassungstitel seine Wirkung für die Vergangenheit behält, so liegt lediglich eine teilweise Erledigung der Hauptsache vor. Eine auf die Kosten beschränkte Entscheidung nach § 91a ZPO ist dann nicht möglich (Fortführung von BGH GRUR 2004, 264 - Euro-Einführungsrabatt).

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 10.10.2013; Aktenzeichen 81 O 64/13)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des LG Köln vom 10.10.2013 - 81 O 64/13 - aufgehoben. Die Sache wird an das LG Köln - auch zur Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Parteien vertreiben Blutzuckermessgeräte und zugehörige Teststreifen. Die Antragstellerin wendet sich gegen eine auf der Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft im Mai 2013 zum Einsatz gekommene (wobei das genaue Ausmaß des Einsatzes zwischen den Parteien streitig ist) Präsentation der Antragsgegnerin für Tablet-PCs. Mit dieser Präsentation stellte die Antragsgegnerin ein von ihr vertriebenes Blutzuckermesssystem vor; u.a. wurde dort eine - im Mai 2013 noch nicht veröffentlichte - NACT (North American Comparator Trial)-Studie erwähnt.

Auf Antrag der Antragstellerin hat das LG Köln der Antragsgegnerin es mit Beschluss vom 10.6.2013 durch einstweilige Verfügung untersagt, die Messgenauigkeit von Blutzuckermesssystemen mit dem Ergebnis der NACT-Studie zu bewerben, solange die Studie nicht zugänglich sei.

Die Antragsgegnerin hat gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt. Am 5.9.2013 wurde die NACT-Studie in einer Fachzeitschrift veröffentlicht. Daraufhin hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vom 19.9.2013 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Antragsgegnerin hat sich dieser Erklärung angeschlossen und anschließend beantragt, über die Aufhebung der einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Die Antragstellerin ist dem entgegengetreten und hat erklärt, die Aufhebung könne erst ab Ausspruch der Erledigungserklärung beansprucht werden.

Mit einem am 10.10.2013 verkündeten Beschluss hat das LG die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrens der Antragsgegnerin auferlegt und im Tenor klargestellt, dass die einstweilige Verfügung für den Zeitraum vor der Erledigungserklärung bestehen bleibe. Zur Begründung hat es ausgeführt, es entspreche dem bisherigen Sach- und Streitstand unter Berücksichtigung billigen Ermessens (§ 91a ZPO), der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. In der Bezugnahme auf die unveröffentlichte NACT-Studie habe ein Verstoß gegen § 6 Abs. 2 HWG gelegen.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde erstrebt die Antragsgegnerin, der Antragstellerin unter Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, selbst wenn § 6 Abs. 2 HWG nicht anwendbar sein sollte, würde jedenfalls eine irreführende Werbung i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UWG vorliegen.

II. Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache - vorläufig - Erfolg.

1. Das LG hat das Verfahren als in der Hauptsache insgesamt erledigt angesehen und dementsprechend mit der angefochtenen Entscheidung nur noch gem. § 91a ZPO über die Kosten des Verfahrens entschieden. Weder der Tenor noch die Entscheidungsgründe unter II. erlauben ein abweichendes Verständnis der landgerichtlichen Entscheidung. Eine solche Entscheidung war jedoch nicht möglich, da tatsächlich nur eine teilweise Erledigung der Hauptsache eingetreten ist, so dass der ursprüngliche Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung teilweise noch beim LG anhängig ist.

Die Erledigungserklärung der Antragstellerin im Termin vom 19.9.2013 ist dahingehend auszulegen, dass sie nur für die Zukunft abgegeben worden ist. Zwar hat der Vertreter der Antragstellerin dem Wortlaut seiner Erklärung nach die Hauptsache uneingeschränkt für erledigt erklärt. Für die Auslegung ist jedoch nicht allein der Wortlaut der Erledigungserklärung maßgebend. Entscheidend ist der erklärte Wille, wie er auch aus den Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgehen kann. Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht. Die Erklärung wurde hier - auch aus der Sicht der Antragsgegnerin - allein im Hinblick darauf abgegeben, dass durch die Anfang September 2013 erfolgte Veröffentlichung der NACT-Studie das Anliegen der Antragstellerin, die Werbung mit einer unveröffentlichten Studie zu unterbinden, erfüllt worden war. Es bestand kein Anhaltspunkt dafür, dass nach Erlass der einstweiligen Verfügung erfolgte Verstöße seitens der Antragstellerin nicht verfolgt werden sollten. Tatsächlich ist seitens der Antragstelle...

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