Leitsatz (amtlich)

Mit der Erteilung der Restschuldbefreiung wandeln sich die Verbindlichkeiten des Schuldners mit Wirkung gegen alle Insolvenzgläubiger in unvollkommene Verbindlichkeiten um. Dies gilt auch für Forderungen, die zwar im Insolvenz-verfahren nachträglich angemeldet, dann aber nicht mehr mit dem Rechts-grund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in die Tabelle einge-tragen wurden; der privilegierende Tatbestand des § 302 Nr. 1 InsO greift hier nicht ein (Ergänzung zu BGH, Urt. v. 16.12.2010 - IX ZR 24/10).

 

Normenkette

InsO § 174 Abs. 2, § 177 Abs. 1 S. 3, § 178 Abs. 3, § 301 Abs. 1, § 302 Nr. 1; BGB § 823 Abs. 2; SGB IV §§ 28d, 28e

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 09.06.2011; Aktenzeichen 3 O 512/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 07.05.2013; Aktenzeichen IX ZR 151/12)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des LG Koblenz vom 9.6.2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin .

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 115 v.H. des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten nach Erteilung der Restschuldbefreiung um die Rechtswirkung einer nachträglich im Insolvenzverfahren - unter Angabe des Rechtsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung - geänderten, aber nicht in die Tabelle eingetragenen Forderungsanmeldung.

Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), die wie folgt ergänzt werden:

Die Klägerin hatte Forderungen i.H.v. insgesamt 58.248,98 EUR nebst Säumniszuschlägen (Gesamtsozialversicherungsbeiträge vom 6.4. bis 30.9.2002) angemeldet; zur Tabelle festgestellt wurde ein Betrag i.H.v. 55.314,52 EUR (Auszug vom 3.2.2003; Bl. 14 GA). Mit Beschluss vom 1.9.2010 [recte] hat das Insolvenzgericht dem Beklagten die Restschuldbefreiung erteilt (Anlage - Ablichtungen aus Beiakte AG Montabaur - 14 IN 249/02); zugleich war ein besonderer Termin zur Prüfung der nachträglich angemeldeten Forderungen und der nachträglichen Änderungen bereits angemeldeter Forderungen bestimmt worden. Die nachträgliche Änderung der Forderungsanmeldung durch die Klägerin vom 19.1.2010 (Bl. 34 GA) fand im Besonderen Prüfungstermin vom 25.10.2010 keine Berücksichtigung mehr; eine Eintragung des geänderten Rechtsgrundes in die Tabelle erfolgte nicht. Einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung oder sonstige Rechtsbehelfe im Insolvenzverfahren hat die Klägerin nicht verfolgt.

Das LG hat mit Urteil vom 9.6.2011 (Bl. 97 ff. GA) die Klage abgewiesen ; hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin .

Die Klägerin rügt eine rechtsfehlerhafte - den Wortlaut sowie den Willen des Gesetzgebers missachtende und auch interessenwidrige - teleologische Reduktion der Vorschrift des § 302 Nr. 1 InsO. Es müsse zur Privilegierung einer Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung im Rahmen der Restschuldbefreiung genügen, wenn diese im Insolvenzverfahren entsprechend angemeldet wurde; einer Feststellung des Rechtsgrundes zur Insolvenztabelle bedürfe es hingegen nicht. Die Klägerin als Insolvenzgläubigerin habe ihrerseits nicht pflichtwidrig gehandelt; es bestehe keine Obliegenheit zur Kontrolle des Insolvenzgerichts im Rahmen von Prüfungsterminen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des LG Koblenz vom 9.6.2011 abzuändern und festzustellen, dass es sich bei der von dem Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beklagten (AG Montabaur - 13 IN 249/02) festgestellten Forderung der Klägerin in Höhe eines Teilbetrages von 13.737,21 EUR um eine solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung handelt .

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, das bei der streitentscheidenden Gesetzesauslegung zum zutreffenden Ergebnis gelangt sei. Ohne einen festgestellten, vollstreckbaren Tabellenauszug könnten Verbindlichkeiten des Schuldners nicht von der Restschuldbefreiung ausgenommen werden; etwaige Versäumnisse im Insolvenzverfahren könnten im "normalen Zivilrechtswege" nicht mehr geheilt werden. Die Restschuldbefreiung erstrecke sich ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Gläubigers auf eine nicht oder nicht rechtzeitig angemeldete Forderung oder Forderungsprüfung; hieran anknüpfend könne sich ein Gläubiger auf den angeblichen Ausschluss seiner Forderung von der Restschuldbefreiung nicht mehr berufen, wenn es an der Prüfung und der nachfolgenden Eintragung der Anmeldung einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in die Tabelle fehle. Eine besondere Schutzbedürftigkeit des am (nachträglichen) Prüfungstermin nicht teilnehmenden I...

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