Leitsatz (amtlich)

1. Für den von der Gesellschaft bzw. deren Insolvenzverwalter geltend gemachten Primäranspruch wegen angeblich unzulässiger Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen (§§ 30, 31 GmbHG) kommt es - anders als für den Tatbestand einer Krise im Sinne des Eigenkapitalersatzrechts - weder auf eine Überschuldung i.S.v. § 19 InsO noch darauf an, ob die Gesellschafterdarlehen Eigenkapitalersatzcharakter hatten und wegen fehlendem Rangrücktritt der Gesellschafter in einem Überschuldungsstatus der Schuldnerin zu passivieren sind. Das gem. § 30 GmbHG gebundene Gesellschaftsvermögen ist nach den allgemeinen für die Jahresbilanz geltenden Grundsätzen festzustellen (in Anknüpfung an BGHZ 146, 264).

2. Der Geschäftsführer einer GmbH ist für die Buchhaltungsunterlagen, d.h. vollständige Buchführung, Aufbewahrung, Führung eines Kassenbuchs, Durchführung einer körperlichen Bestandsaufnahme selbst verantwortlich.

3. Die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 31 Abs. 5 GmbHG a.F. findet keine Anwendung, wenn dem Verpflichteten eine bösliche Handlungsweise zur Last gelegt wird. Der Gesellschafter handelt böslich, wenn er die Auszahlung in Kenntnis ihrer Unzulässigkeit entgegennimmt, also weiß, dass bereits eine Überschuldung oder eine Unterbilanz besteht oder dass infolge der Auszahlung das zur Deckung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nunmehr angegriffen wird. Ein bösliches Handeln setzt kein arglistiges oder betrügerisches Verhalten voraus. Der Geschäftsführer einer GmbH kann diese Dinge nicht gänzlich auf Dritte delegieren. Es bestehen stets Überwachungspflichten (vgl. OLG Koblenz vom 28.12.2010 - 2 U 203/09, ZInsO 2011, 335, 338).

 

Normenkette

GmbHG §§ 30, 31 Abs. 5, § 41; InsO § 19; BGB § 488 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 08.02.2006; Aktenzeichen 15 O 154/05)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des LG Koblenz - Einzelrichter - vom 8.2.2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte zu 1) als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 2) verurteilt wird, an den Kläger 15.338,76 EUR und der Beklagte zu 1) darüber hinaus verurteilt wird, an den Kläger weitere 117.597,13 EUR, jeweils nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.4.2005 zu zahlen.

2. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges bleibt es bei der Kostenentscheidung des LG, hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens bleibt es bei der Kostenentscheidung des Urteils des 6. Zivilsenats vom 30.11.2006. Der Beklagte zu 1) hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter der ... [A] GmbH (nachfolgend Schuldnerin), deren Gesellschafter-Geschäftsführer der Beklagte zu 1) war. Weitere Gesellschafterin war seine Ehefrau, die Beklagte zu 2). Beide hatten im Oktober 1997 ein privates Darlehen i.H.v. ca. 550.000 DM bei ihrer Bank aufgenommen. Zur Rückführung dieses Darlehens zahlte die Schuldnerin in der Zeit von November 1997 bis Juni 2000 insgesamt 260.000 DM (132.935,89 EUR) auf das Bankkonto der Beklagten. Der - erst im Oktober 2001 erstellte - Jahresabschluss der Schuldnerin per 31.12.1996 wies einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag i.H.v. circa 485.000 DM auf, wobei Gesellschafterdarlehen i.H.v. circa 963.000 DM passiviert waren (BGHZ 171, 46 Tz. 1). Im September 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Er beantragte am 30.12.2004 den Erlass eines Mahnbescheids gegen beide Beklagte wegen einer Hauptforderung von 132.935,89 EUR unter der Bezeichnung "private Darlehenstilgung aus Vermögen der ... [A] GmbH vom 1.1.1997 bis 31.12.2003". Gleichzeitig beantragte er einen Mahnbescheid mit derselben Forderungsbezeichnung gegen den Beklagten zu 1) wegen einer Hauptforderung von 129.663,93 EUR. Beide Mahnbescheide wurden anschließend zugestellt.

Mit seiner Klage hat der Kläger von den Beklagten als Gesamtschuldner Rückzahlung der auf ihr Privatkonto geflossenen 132.935,89 EUR mit der Behauptung verlangt, die Schuldnerin habe den Betrag entweder als Darlehen an die Beklagten oder ohne Rechtsgrund geleistet. Die Beklagten haben dies mit der Maßgabe bestritten, dass es sich im Verhältnis zu ihnen um die Rückzahlung eines der Schuldnerin gewährten Gesellschafterdarlehens gehandelt habe. Weiter haben die Beklagten die Einrede der Verjährung erhoben.

Das LG hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 15.338,76 EUR und den Beklagten zu 1) zu einer weiteren Zahlung von 117.597,13 EUR, jeweils nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.3.2005, verurteilt (GA 133). Die Berufung der Beklagten zu 2) gegen ...

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