Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 20.01.2005; Aktenzeichen 3 O 15/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 05.02.2007; Aktenzeichen II ZR 234/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20.1.2005 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Koblenz abgeändert und wie folgt neugefasst:

Unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils der 3. Zivilkammer des LG Koblenz vom 23.9.2004 wird der Beklagte verurteilt, 109.134,24 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.1.2004 zu bezahlen.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufrechterhalten und die Klage abgewiesen.

Mit Ausnahme der durch die Säumnis der Klägerin in erster Instanz entstandenen Kosten, die diese alleine zu tragen hat, werden die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht in die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen Insolvenzverschleppung i.H.v. 218.268,48 EUR, hilfsweise i.H.v. 162.410,29 EUR. Das LG hat die Klage durch Versäumnisurteil vom 23.9.2004 abgewiesen. Auf den Einspruch der Klägerin hat es durch das angefochtene Urteil das Versäumnisurteil aufrechterhalten.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Urkunden verwiesen.

II. Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG. Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden von 218.268,48 EUR war jedoch wegen eines Mitverschuldens nach § 254 Abs. 1 BGB um die Hälfte auf 109.134,24 EUR zu kürzen.

Die Voraussetzungen einer Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG liegen vor.

1. Nach § 64 Abs. 1 GmbHG hat der Geschäftsführer die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft unverzüglich (" ohne schuldhaftes Zögern ") zu beantragen. Die Vorschrift ist, worüber seit langem Einigkeit besteht, ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Gesellschaftsgläubiger (vgl. statt aller Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 64 Rz. 38).

2. Den Beweis für das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der Insolvenzantragspflicht hat grundsätzlich der Gläubiger zu erbringen. Steht fest, dass die GmbH zu einem bestimmten Zeitpunkt rechnerisch überschuldet war, so ist es allerdings Sache des Geschäftsführers, die Umstände darzulegen, die es aus damaliger Sicht rechtfertigten, das Unternehmen trotzdem fortzuführen. Hierzu ist er weit besser in der Lage als ein außenstehender Gläubiger, der in aller Regel von den für die Zukunftsaussichten der Gesellschaft maßgebenden Umständen keine Kenntnis haben wird. Dem Geschäftsführer ist die Darlegung dieser Umstände zumutbar, weil er ohnehin zu einer laufenden Prüfung der Unternehmenslage verpflichtet ist (vgl. BGH v. 6.6.1994 - II ZR 292/91, GmbHR 1994, 539 = MDR 1994, 781 = NJW 1994, 2220, 2224). An der dargestellten Darlegungs- und Beweislastverteilung hat sich auch nichts durch den in § 19 Abs. 2 InsO definierten Begriff der Überschuldung geändert. Der Gläubiger hat nach wie vor die rechnerische Überschuldung darzulegen und zu beweisen. Beruft sich der Geschäftsführer hinsichtlich der Berechnung der Überschuldung auf die für ihn günstigeren Fortführungswerte, hat er die wirtschaftliche Lebensfähigkeit und die Schuldendeckung nach Fortführungswerten darzulegen und nach einer in der Literatur stark vertretenen Auffassung auch zu beweisen (vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 64 Rz. 48; Roth/Altmeppen, GmbHG, 4. Aufl. 2003, vor § 64, Rz. 19 bis 25 jeweils mit weiteren Hinweisen).

a) Unter Beachtung dieser Darlegungs- und Beweisregeln ist vorliegend davon auszugehen, dass die GmbH bereits zum 31.12.1996 überschuldet war.

Eine Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (Baumbach-Hueck, GmbHG, 17. Aufl. 2000, § 64 Rz. 11). Zum Nachweis der Überschuldung reicht eine Handelsbilanz zu fortgeführten Buchwerten nicht aus. Ihr kommt allenfalls indizielle Bedeutung zu. Die Überschuldung ist durch Vorlage eines Überschuldungsstatus darzulegen, in dem die stillen Reserven aufgedeckt und die Vermögensgegenstände zu Veräußerungswerten angesetzt sind (sog. " rechnerische Überschuldung "; BGH v. 7.3.2005 - II ZR 138/03, MDR 2005, 935 = BGHReport 2005, 846 = GmbHR 2005, 617 m. Anm. Blöse = WM 2005, 848, 849). Die Klägerin hat auf der Grundlage des erst am 5.10.2001 erstellten Jahresabschlusses ...

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