Leitsatz (amtlich)

Nach Ausschluss eines Minderheitsaktionärs ("Squeeze-out") und Aushändigung der Inhaberaktienurkunde an den Hauptaktionär zum Zwecke des Erhalts der vom Hauptaktionär festgelegten Barabfindung (§ 327e Abs. 3 Satz 2 AktG) verbrieft die Urkunde nicht zugunsten eines späteren Inhabers den Anspruch auf eine höhere Barabfindung, die in einem Spruchverfahren nach § 327f AktG bestimmt worden ist; der Nachweis der Anspruchsberechtigung hinsichtlich des Erhöhungsbetrags muss vielmehr auf andere Weise als allein durch die vorgelegte Urkunde geführt werden.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 23.12.2014; Aktenzeichen 4 HK O 52/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Koblenz vom 23.12.2014 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht als Inhaberin von Aktienurkunden im Anschluss an den Ausschluss von Minderheitsaktionären ("Squeeze-out", §§ 327a ff. AktG) einen Anspruch auf Zahlung einer in einem Spruchverfahren erhöhten Barabfindung geltend.

Die Klägerin ist Inhaberin von 13 jeweils auf den Inhaber ausgestellten Aktienurkunden der Aktiengesellschaft "... [A]" (im Folgenden:... [A] AG). Acht dieser Aktienurkunden, die jeweils im Jahr 1952 ausgegeben wurden, lauten auf den Betrag von 1.000 Deutsche Mark. Die weiteren fünf Aktienurkunden, die in den Jahren 1968 und 1973 ausgegeben wurden, lauten jeweils über 50 Deutsche Mark. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 (GA 22 ff.) Bezug genommen. Alle Aktienurkunden tragen auf der Rückseite den von der Beklagten aufgebrachten Stempelaufdruck "UNGÜLTIG wegen Squeeze-out Barabfindung erhalten" (GA 35). Die Beklagte ist die frühere Hauptaktionärin der ... [A] AG. Rechtsnachfolgerin der ... [A] AG ist zwischenzeitlich die ... [B] GmbH.

Die Hauptversammlung der ... [A] AG beschloss am 4.7.2002 den Ausschluss der Minderheitsaktionäre. Die Barabfindung wurde auf 743,52 EUR je Aktie festgelegt. Im Anschluss daran fand ein Spruchverfahren zur Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung statt. In diesem Verfahren schlossen mehrere Antragsteller mit den Antragsgegnern, u.a. der Beklagten, einen durch Beschluss des LG Koblenz vom 22.3.2012 festgestellten und im Bundesanzeiger vom 11.5.2012 bekannt gemachten Teil-Vergleich. Danach wird die Abfindungszahlung von 743,52 EUR je Aktie im Nennbetrag von 50 DM um 92,32 EUR auf 835,84 EUR pro Aktie erhöht.

§ 7 des Teil-Vergleichs enthält auszugsweise folgende Regelung:

"... Dieser Vergleich wirkt für alle ehemaligen außenstehenden Aktionäre der Antragsgegnerin zu 1) [Anmerkung: der Rechtsnachfolgerin der ... [A] AG] mit Ausnahme der Antragsgegnerin zu 2) [das ist die Beklagte des vorliegenden Verfahrens]. Er stellt insoweit einen echten Vertrag zugunsten Dritter (§§ 328 ff. BGB) dar ..."

Wegen der Einzelheiten des Teil-Vergleichs wird auf die Bekanntmachung Bezug genommen (Anlage K 2 = GA 36 ff.).

Die Klägerin verlangt von der Beklagten als früherer Hauptaktionärin der ... [A] AG die Auszahlung des in dem Teil-Vergleich vereinbarten Erhöhungsbetrags von 92,32 EUR je Nennbetrag von 50 DM der in ihrem Besitz befindlichen Aktienurkunden, insgesamt - rechnerisch zutreffend - einen Betrag von 15.232,80 EUR nebst Zinsen gem. § 2 des Teil-Vergleichs. Die Parteien streiten darüber, ob zum Nachweis der Anspruchsberechtigung der Klägerin allein die Vorlage der - als "ungültig" gestempelten - Aktienurkunden genügt. Entsprechend gestempelte Aktienurkunden der ... [A] AG werden im Internet als Sammlerstücke zum Kauf angeboten (Internetausdrucke Anlagen CC1 und 2 = GA 73 ff.).

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe die Aktienurkunden im Nachlass ihres im Jahr 2008 verstorbenen Ehemanns aufgefunden, dessen Alleinerbin sie sei. Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe ihre Legitimation zur Geltendmachung des aufgrund des Teil-Vergleichs erhöhten Barabfindungsanspruchs durch Vorlage der Aktienurkunden nachgewiesen. Die Aktienurkunde als Inhaberpapier verbriefe nach Durchführung des Squeeze-out den Anspruch auf Barabfindung. Der im Spruchverfahren geschlossene Teil-Vergleich wirke aufgrund der Inhaberschaft der Klägerin an den Aktienurkunden auch zu ihren Gunsten. Die Aktienurkunden hätten durch die rechtlich unerhebliche Stempelung nicht ihre Eigenschaft als Inhaberpapier mit der einhergehenden Legitimationswirkung verloren.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.232,80 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 4.7.2002 bis zum 31.8.2009 und Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten...

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