Leitsatz (amtlich)

›1. Im Schadensersatzprozess gegen den GmbH - Geschäftsführer wegen Insolvenzverschleppung muss der Anspruchsteller beweisen, dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Rechtsgeschäfts überschuldet war.

2. Gelingt dieser Nachweis, ist der Geschäftsführer beweispflichtig, dass für die GmbH gleichwohl eine Fortbestehensprognose gegeben war. Dabei hat der Geschäftsführer einen Beurteilungsspielraum. Trifft er eine Entscheidung, die bei Betrachtung ex ante vertretbar erscheint, ist er nicht schadensersatzpflichtig.

3. Eine Haftung des GmbH - Geschäftsführers aus culpa in contrahendo kommt in der Regel nicht in Betracht.‹

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Entscheidung vom 25.06.2002; Aktenzeichen 2 O 328/00)

 

Tatbestand

Die Kläger nehmen den beklagten GmbH - Geschäftsführer auf Schadensersatz mit der Begründung in Anspruch, er habe namens der Gesellschaft einen Kaufvertrag über eine Immobilie geschlossen, obwohl die GmbH zahlungsunfähig gewesen sei.

Der Kaufvertrag zwischen den Klägern und der GmbH datiert vom 16. Oktober 1997. Den Gesamtkaufpreis von 1,32 Millionen DM blieb die GmbH schuldig. Ein knapp zwei Jahre später im Oktober 1999 gestellter Insolvenzantrag der GmbH wurde mangels Masse abgelehnt. Dementsprechend konnten die Kläger aus einem im September 1999 gegen die GmbH erstrittenen Versäumnisurteil über 32.804,97 DM nichts vollstrecken. Bei dem genannten Betrag handelt es sich um Verzugszinsen. Daneben verlangen die Kläger im vorliegenden Rechtsstreit Erstattung von Prozess - und Notarkosten.

Der Beklagte hat erwidert, weder betrügerisch gehandelt noch vorvertragliche Hinweis - und Aufklärungspflichten verletzt zu haben.

Das Landgericht hat Zeugenbeweis erhoben, ein Gutachten eines Wirtschaftsprüfers eingeholt, den Sachverständigen ergänzend befragt und die Klage hiernach mit der Begründung abgewiesen, den Klägern sei der Nachweis betrügerischen Fehlverhaltens nicht gelungen. Bei Abschluss des Kaufvertrages habe für die GmbH eine positive Fortführungsprognose bestanden. Eine Haftung aus § 826 BGB oder culpa in contrahendo scheide ebenfalls aus.

Dagegen wenden sich die Kläger mit der Berufung. Sie wiederholen den Antrag 1. Instanz. Bewusst wahrheitswidrig habe der Beklagte erklärt, "die Finanzierung sei unproblematisch". Hinsichtlich der Fortführungsprognose habe das Landgericht die Beweislast verkannt. Hierfür sei der Beklagte beweispflichtig. Der Nachweis sei ihm durch das Sachverständigengutachten nicht gelungen. Letztlich hafte der Beklagte wegen Verschuldens bei Vertragsschluss, weil er die Finanzierung nicht als gesichert habe darstellen dürfen.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und meint, im Oktober 1997 habe er davon ausgehen dürfen, dass die GmbH den Kaufpreis finanzieren könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Beklagte schuldet den Klägern weder aus unerlaubter Handlung noch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss Schadensersatz.

1. Die Kläger machen in erster Linie einen Verzugsschaden von mehr als 30.000 DM geltend, weil der Vertrag von der GmbH nicht erfüllt wurde. Insoweit ist die Klage schon nach dem eigenen Vorbringen der Kläger nicht begründet. Die Kläger behaupten, sie hätten den Kaufvertrag mit der GmbH nicht geschlossen, wenn der Beklagte sie über die damalige wirtschaftliche Situation der Gesellschaft informiert hätte. Daraus folgt, dass die Kläger ohne den Kaufvertrag vom 16. Oktober 1997 keinen Anspruch auf den dort vereinbarten Verzugszins von 8% über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank hätten. Die Unterlassung, die die Kläger dem Beklagten vorwerfen, wäre für den eingetretenen Schaden nur kausal, wenn der Erfolg bei pflichtgemäßem Handeln entfiele. Davon kann nicht ausgegangen werden, weil weder dargetan noch sonst ersichtlich ist, dass die Kläger die Immobilie ohne den Kaufvertrag mit der GmbH an einen anderen Interessenten hätten verkaufen können oder später (zu einem Mindererlös) verkauft haben. Damit ist die Entscheidung des Landgerichts in diesem Punkt bereits mangels Schaden zutreffend.

2. Auch im Übrigen (Notar - und Gerichtskosten) ist der Beklagte nicht schadensersatzpflichtig. Die Voraussetzungen der §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB, 64 GmbHG; 826 BGB sind nicht erfüllt. Ebenso wenig haftet der Beklagte wegen Verschuldens bei Vertragsschluss.

a. Der Beklagte hat sich nicht eines Betruges schuldig gemacht. Ungeachtet der Zweifel hinsichtlich der übrigen Tatbestandsmerkmale des Betruges, fehlt es jedenfalls an der Stoffgleichheit zwischen dem verursachten Schaden (Notar - und Gerichtskosten) und dem Vermögensvorteil, den der Beklagte nach Auffassung der Kläger (zu Gunsten der GmbH) erstrebte.

b. Der Beklagte ist auch nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG schadensersatzpflichtig.

Nach § 64 Abs. 1 GmbHG haben die Geschäftsführer ohne ...

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