Leitsatz (amtlich)
1. Zum Vergütungsanspruch eines selbständig auf Honorarbasis in die Arbeitsabläufe der chirurgischen Station eines Krankenhauses integrierten Oberarztes, dem bei grundsätzlich freier zeitlicher Einteilung der von ihm übernommenen Dienstleistungen in den Räumlichkeiten der Notfallambulanz ein Dienstzimmer zur freien Verfügung überlassen worden war.
2. Zur Verteilung der - gestuften - Darlegungslast in einem solchen Fall (Anschluss an BAG MDR 2012, 979; NJW 2012, 2680).
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Urteil vom 28.11.2012; Aktenzeichen 4 O 15/12) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Bad Kreuznach vom 28.11.2012 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 22 v.H. und die Beklagte zu 78 v.H.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger verfolgt einen Restvergütungsanspruch aus seiner Tätigkeit als - selbständiger und freiberuflicher - Honorararzt im Krankenhaus der Beklagten in Birkenfeld im Zeitraum September 2010 bis Juli 2011.
Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG hat nach Beweisaufnahme mit Urteil vom 28.11.2012 (Bl. 157 ff. GA) der Klage i.H.v. 19.842 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten stattgegeben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hiergegen richten sich die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers.
Die Beklagte rügt die Verkennung der Darlegungs- und Beweislast im angefochtenen Urteil; die (ohne weiteres auf die Honorararzttätigkeit übertragbare) Rechtsprechung des BAG zur "Mehrarbeitsvergütung" werde nicht beachtet. Der im Regeldienst und der Rufbereitschaft eingesetzte Kläger sei wie alle anderen Ärzte den Dienstplänen der Beklagten unterworfen gewesen; er habe wie alle anderen Ärzte der Weisungsbefugnis des Chefarztes unterlegen. Die von ihm mit dem Personalleiter getroffene Vereinbarung habe lediglich die Höhe der Vergütung während der Rufbereitschaft und nicht etwa auch die Anordnung von Überstunden betroffen. Für außerhalb der Regelarbeitszeit liegende Tätigkeiten obliege demnach allein dem Kläger die Nachweis- und Dokumentationspflicht. Was der Kläger nach dem Ende der Regelarbeitszeit jeweils in seinem Dienstzimmer gemacht habe, ob er "Arztberichte oder Gutachten geschrieben" oder aber "Zeitung gelesen oder anderen Verrichtungen nachgegangen" sei, könne sie, die Beklagte, naturgemäß nicht wissen; mit administrativen Aufgaben sei der Kläger nicht befasst gewesen. Das LG habe im Übrigen im Zusammenhang mit der Überprüfung der Patientenbehandlungen/Gutachtenerstellungen durch die Zeugin P. oberflächliche und unzutreffende Tatsachenfeststellungen getroffen; die "Überstundenaufstellung" des Klägers sei mehr oder weniger frei erfunden. Die Begutachtungstätigkeit des Klägers habe nach ihrer Bewertung nicht mehr als 49 Stunden während seines gesamten Beschäftigungszeitraums in Anspruch genommen (53 Formulargutachten ohne Patientenuntersuchung à 0,5 Stunden; 9 Gutachten mit Patientenuntersuchung à 2,5 Stunden). Daraus dass sie, die Beklagte, die Abrechnungen für das Jahr 2010 "leider nicht mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft" habe, könne der Kläger keinesfalls einen (weiter gehenden) Honoraranspruch für das sich anschließende Jahr 2011 herleiten.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Bad Kreuznach vom 28.11.2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des LG Bad Kreuznach vom 28.11.2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 5.525 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.10.2011 sowie weitere vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 173,27 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.11.2011 zu zahlen;
2. die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die Rechtsauffassung des LG zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der abgerechneten Dienstzeiten der Rufbereitschaft. Im Rahmen seiner Tätigkeit als freier Honorararzt habe er nicht nur die üblichen Oberarzt-Aufgaben wahrzunehmen gehabt, sondern er sei auch in der Notfallambulanz eingesetzt worden und habe umfangreiche, an sich zum Aufgabenbereich des Chefarztes gehörende Gutachtertätigkeiten durchgeführt. Ein "Regeldienst" im Sinne einer bestimmten Arbeitszeit, wie er für die Arbeitnehmer des Krankenhauses gelte, sei mit ihm gerade nicht vertraglich vereinbart worden; er habe vielmehr seine Aufgaben regelmäßig bis in die Abendstunden hinein abgewickelt. Die - insofern unstreitig - mit dem Personalleiter getroffene Vereinbarung belege, dass die Beklagte auch für die Zeiten des "Hintergrunddienstes" die Vergütungspflicht entsprechend der "normalen Oberarzttätigkeit" anerkannt habe. Die Vermutungen der Beklagten zur Anzahl der vom Klä...