Entscheidungsstichwort (Thema)

Sorgfaltspflichten in einer Reitergruppe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beim gemeinsamen Ausritt ist ein Pferd, das zum Auskeilen neigt, mit einer roten Schleife am Schweif zu kennzeichnen. Außerdem muss der Reiter am Schluss der Gruppe reiten.

2. Den über die konkrete Gefährlichkeit des Tiers nicht informierten Verletzten trifft kein Mitverschulden, wenn er wegen plötzlicher und nicht durch einen Warnruf angekündigter Verzögerung aus der Gangart Trab einen kurzen Moment zu dicht aufreitet und das Pferd in diesem Moment nach hinten auskeilt.

 

Normenkette

BGB §§ 254, 833

 

Verfahrensgang

LG Trier (Urteil vom 12.02.2004; Aktenzeichen 3 O 156/03)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil der 3. Zivilkammer des LG Trier vom 12.2.2004 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungs- verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung entsprechende Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Wegen eines Reitunfalls am 29.6.2003 begehrt der Kläger die Feststellung, dass die beklagte Pferdehalterin ihm sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden ersetzen muss, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.

Der Kläger ritt am Ende einer aus insgesamt 8 Reitern bestehenden Gruppe. Unmittelbar vor ihm ritt die Beklagte mit ihrem Pferd "Laila". Laila keilte nach hinten aus und verletzte den Kläger am rechten Unterschenkel.

Ihre 15 %-ige Einstandspflicht hat die Beklagte anerkannt. Insoweit ist ein (Teil-)Anerkenntnisurteil ergangen. Auch im Übrigen hat das LG nach Befragung von Zeugen der Klage durch das nunmehr angefochten Schlussurteil stattgegeben. Die Beklagte hafte nach § 833 BGB. Der Mitverschuldenseinwand greife nicht, weil dem Kläger nicht bekannt gewesen sei, dass Laila zum Auskeilen neige. Der Kläger habe die Regeln des Reitsports hinreichend beachtet.

Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage, soweit die Einstandspflicht nicht anerkannt worden ist. Die umfassende Feststellungsklage sei nicht zulässig, weil dem Kläger zumindest eine Teilbezifferung möglich sei. Jedenfalls treffe ihn ein weit überwiegendes Mitverschulden. Er sei zu dicht hinter der Beklagten geritten. Ebenso wie bei Unfällen im Straßenverkehr führe die Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes zur überwiegenden Haftung des Klägers. Laila habe aus dem Trab heraus ausgeschlagen. Der Kläger sei zudem ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Laila zum Auskeilen neige. Die insoweit gebotene Parteivernehmung nach § 448 ZPO habe das LG versäumt.

Der Kläger verteidigt das Urteil. Die Gefährlichkeit des Pferdes sei ihm nicht bekannt gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der zunächst mit der Sache befasste 3. Zivilsenat hat Sachverständigenbeweis erhoben. Insoweit wird auf das schriftliche Gutachten vom 10.3.2005 verwiesen.

II. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das LG von einer hundertprozentigen Einstandspflicht der Beklagten ausgegangen. Die Feststellungsklage ist zulässig und umfassend begründet.

1. Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung wiederholten Bedenken gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrages teilt der Senat nicht. Der Kläger erlitt bei dem Unfall einen offenen mehrfachen Trümmerbruch des rechten Schienbeins. Der Senat - zugleich für Arzthaftungs- und Entschädigungssachen zuständig - weiß, dass bei einer derartigen Verletzung trotz scheinbar komplikationslosem Heilungsverlaufs häufig Zukunftsschäden zu besorgen sind. Befindet sich ein anspruchsbegründender Sachverhalt im Zeitpunkt der Klageerhebung noch in der Entwicklung, so steht der Umstand, dass im Zeitpunkt der Klageerhebung eine teilweise Bezifferung möglich wäre, der Bejahung des Feststellungsinteresses jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Anspruch seiner Natur nach sinnvollerweise erst nach Abschluss seiner Entwicklung beziffert werden kann (BGHZ 5, 314; BGH NJW 1978, 210; WM 1978, 470). Bestand demnach für die am 18.8.2003 erhobene Klage das Feststellungsinteresse, so war der Kläger nicht gezwungen, später zur Leistungsklage überzugehen, selbst wenn das im Verlaufe des Prozesses möglich geworden wäre. Auch das entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH (BGH v. 25.6.1980 - VIII ZR 260/79, BGHZ 77, 301 = MDR 1981, 45 = WM 1980, 1176; v. 10.12.1980 - VIII ZR 186/79, WM 1981, 66 m.w.N.). Davon abzuweichen besteht kein Anlass.

2. Die demnach zulässige Klage ist auch insgesamt begründet. Dass die Beklagte für die Verletzung, die das Pferd "Laila" dem Kläger zufügte, dem Grunde nach gem. § 833 S. 1 BGB haftet, ist außer Streit. Für den demgegenüber erhobenen Mitverschuldenseinwand (§ 254 Abs. 1 BGB) i...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge