Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Haftungsbeschränkung und kein Mitverschulden bei Baustellenunfall des Bauleiters des Auftraggebers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Haftungsbeschränkung des § 106 Abs. 3 SGB VII greift nicht, wenn der Bauleiter des Auftragebers zu Schaden kommt, weil der Subunternehmer bei der Baustelleneinrichtung seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat (hier: unzureichende Sicherung des Unterbaus einer Baustellenleiter).

2. Für die Baustellensicherheit ist in erster Linie der Subunternehmer verantwortlich. Den örtlichen Bauleiter des Auftraggebers treffen erst dann eigene Sicherungspflichten, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass der Subunternehmer nicht genügend sachkundig oder zuverlässig ist.

3. Der Bauleiter des Auftraggebers darf im Allgemeinen darauf vertrauen, dass der erfahrene Subunternehmer die grundlegenden Sicherheitsregeln für die Baustelleneinrichtung beherrscht und beachtet. Besteht ein derartiger Vertrauenstatbestand, trifft den geschädigten Bauleiter in der Regel kein Mitverschulden, wenn er die Einhaltung der Sicherheitserfordernisse nicht selbst überprüft hat.

 

Normenkette

BGB §§ 254, 276, 278, 611, 631, 823, 831, 847; SGB VII §§ 104-106

 

Verfahrensgang

LG Bad Kreuznach (Urteil vom 02.02.2007; Aktenzeichen 3 O 171/99)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin und Widerbeklagten wird das Schlussurteil des LG Bad Kreuznach vom 2.2.2007 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

a) Das Vorbehaltsurteil des LG Bad Kreuznach vom 31.5.2006 wird für vorbehaltlos erklärt, soweit die Beklagte verurteilt ist, an die Klägerin 6.964,92 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 16.6.1999 zu zahlen.

b) Im Übrigen wird das Vorbehaltsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

c) Auf die Widerklage wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten sämtliche künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die Herrn Albert C. aus dem Baustellenunfall erwachsen, den er am 22.7.1998 in R. erlitten hat, soweit die Ansprüche aufgrund der Abtretung vom 23.3.1999 von dem Zedenten auf die Beklagte und nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die weiter greifende Widerklage wird abgewiesen.

d) Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits fallen 75 % der Klägerin und 25 % der Beklagten zur Last.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, sofern die Gegenseite nicht vor der Vollstreckung eine entsprechende Sicherheit leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Durch rechtskräftiges Vorbehalts- und Teilurteil vom 31.5.2006 hat das LG der klagenden Baufirma einen Restwerklohnanspruch von 51.024,49 EUR nebst Zinsen zuerkannt (Bl. 1087-1098 GA).

Das nunmehr angefochtene Schlussurteil verhält sich über eine Gegenforderung, mit der die Beklagte aufgerechnet und in einem überschießenden Teil Widerklage erhoben hat. Diese Forderung stand ursprünglich dem Zeugen C. zu, der Prokurist und Mitgesellschafter der Beklagten ist. Nach dem Beklagtenvorbringen hat er die Forderung am 23.3.1999 an die jetzige Anspruchstellerin abgetreten (Bl. 1194 GA).

Die Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderung des Zedenten gründet auf einem Baustellenunfall vom 22.7.1998. Die Klägerin erstellte seinerzeit als Subunternehmerin für die Beklagte den Rohbau eines Einfamilienhauses in R.. Der Zedent war Bauleiter der Beklagten. Am Unfalltag stieg er auf einer Leiter, deren Wangen im Erdgeschoss auf einer hölzernen Unterkonstruktion standen (Skizze Bl. 644 GA) in das erste Obergeschoss, um dort Bauarbeiten zu überprüfen. Als der Zedent wieder hinabsteigen wollte, stürzte er mit der Leiter und der Unterkonstruktion in das Kellergeschoss und verletzte sich erheblich.

Die Beklagte hat behauptet, Mitarbeiter der Klägerin hätten die Unterkonstruktion mangelhaft errichtet; sie sei insbesondere nicht hinreichend gegen eine waagerechte Verschiebung der Bretter gesichert gewesen.

Dem ist die Klägerin entgegengetreten. Der Unfall beruhe darauf, dass der Zedent auf der standsicheren Leiter abgerutscht sei, da er nur leichte Sommerschuhe getragen habe. Die Klägerin meint, der Unfall habe sich auf einer gemeinsamen Betriebsstätte ereignet (§ 106 SGB VII). Die Höhe des materiellen Schadens werde bestritten.

Das LG, auf dessen Entscheidung zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat Zeugenbeweis erhoben und das Vorbehaltsurteil nur wegen eines Betrages von 5.927,95 EUR für vorbehaltlos erklärt. Im Übrigen greife die Aufrechnung. Dementsprechend hat das LG auf die Widerklage festgestellt, dass die Klägerin der Beklagten alle aufgrund der Abtretung übergegangenen und übergehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall erstatten muss.

Zur Begründung hat das LG ausgeführt, Aufrechnung und Widerklage ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge