Leitsatz (amtlich)

Der nach §§ 2027, 2028 BGB in Anspruch genommene Miterbe kann sich gegenüber den geltend gemachten Auskunfts- und Rechenschaftslegungsansprüchen auf Verwirkung berufen, wenn der Erbfall mehr als 9 Jahre zurückliegt und der klagende Miterbe während dieses Zeitraums keine auf eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zielenden Maßnahmen eingeleitet hat.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 08.09.2011; Aktenzeichen 16 O 34/10)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil des LG Koblenz vom 8.9.2011 - 16 O 34/10, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Bestandsverzeichnis über sämtliche zum Nachlass des Herrn P. B., verst. am 25.2.1999, zum Todeszeitpunkt gehörenden Grundstücke sowie Bankkonten, letztgenannte unter Angabe des Tagessaldos vom 25.2.1999, zu erteilen. Im Übrigen wird die erststufige, auf Auskunft und Rechnungslegung gerichtete Klage abgewiesen.

2. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG vorbehalten.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 2.000 EUR vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Die Beklagte ist die Mutter des im Jahr 1966 geborenen Klägers. Ihr erster Ehemann (= Erblasser G.), der leibliche Vater des Klägers, verstarb 1969; ihr zweiter Ehemann (= Erblasser B.), der den Kläger 1991 adoptierte, verstarb am 25.2.1999. Aus der ersten Ehe der Beklagten entstammen neben dem Kläger eine Tochter, aus der zweiten Ehe eine weitere Tochter und ein Sohn. Beide Erblasser hinterließen keine letztwilligen Verfügungen, so dass der Kläger aufgrund gesetzlicher Erbfolge an der Erbengemeinschaft "G." zu 1/4 und an der Erbengemeinschaft "B." zu 1/6 beteiligt ist. Hinsichtlich beider Erbengemeinschaften sind bislang nur Teilerbauseinandersetzungen erfolgt.

Zu beiden Nachlässen gehören u.a. Grundstücke, auf denen ursprünglich die Beklagte als Pächterin einen Campingplatz betrieben hat, der zwischenzeitlich durch notarielle Verträge vom 6.7.1992 sowie 15.12.2000 (Anl. K 6, 7; Bl. 62 ff., 82 ff. d.A.) an die F. GmbH verpachtet ist. Der Erblasser B. war zudem (Mit-)Inhaber von Bankkonten im In- und Ausland, die erhebliche Kontostände aufwiesen.

Mit Schreiben vom 26.9.2008 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm Auskunft über den Bestand der beiden Nachlässe, über die in Bezug auf die Nachlässe geführten erbschaftlichen Geschäfte sowie über den Verbleib von Nachlassgegenständen zu erteilen. Die Beklagte machte in diversen Schreiben Angaben zu Nachlassgegenständen, ohne aber eine vollständige, zusammenhängende Auskunft zu erteilen.

Mit seiner letztlich auf Zustimmung zu Teilungsplänen für die Auseinandersetzung der beiden Erbengemeinschaften gerichteten Stufenklage hat der Kläger gegenüber der Beklagten vor dem LG auf der ersten Stufe umfassende Auskunfts- und Rechenschaftslegungsansprüche hinsichtlich beider Nachlässe geltend gemacht. Die Beklagte habe die Nachlässe beider Erblasser vereinnahmt, die Geschäfte beider Erbengemeinschaften geführt und umfangreiche wirtschaftliche Dispositionen über Nachlassgegenstände und deren Nutzungen vorgenommen, so dass sie zur Auskunftserteilung und Rechenschaftslegung verpflichtet sei. Eine Zustimmung zur Umschreibung von Oder-Konten der Eheleute B. auf die Beklagte habe er nicht erteilt. Die Auskunftspflicht der Beklagten erstrecke sich auch auf Grundstücke, die sie aus den so vereinnahmten Kontoguthaben sowie den aus der Bewirtschaftung des Campingplatzes erzielten Erlösen erworben habe. Die Vereinnahmung von Nachlassgegenständen und die Ziehung von Nutzungen durch die Beklagte habe er nur zeitweilig geduldet, da ihm von der Beklagten eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaften nach Maßgabe der jeweiligen Erbquoten in Aussicht gestellt worden sei.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten mit dem Hinweis, dass dem Kläger kein Anspruch auf weiter gehende Auskünfte zustehe. Durch den notariellen Pachtvertrag vom 15.12.2000 seien die Pachteinnahmen ausschließlich ihr zugewiesen worden. Die Umschreibung der Oder-Konten sei ebenfalls einvernehmlich auf sie erfolgt. Spätere Grundstückserwerbe habe sie aus eigenen Mitteln bestritten. Diese Erwerbe habe zudem der Kläger für sie abgewickelt, so dass er insoweit umfassend informiert sei. Ohnehin sei er für sie jahrelang als Vermögensverwalter tätig gewesen, so dass er auf Auskünfte nicht angewiesen sei. Sämtliche Unterlagen seien im Besitz des Klägers, weshalb sich sein Anspruchsbegehren als rechtsmissbräuchlich darstelle.

Das LG hat durch die angefochtene Entscheidung, auf deren tatsächliche Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, diese Auskunfts- und Rechenschaftslegungsansprüche insgesamt als unbegründet abgewiesen. Grundsätzlich habe die Beklagte dem Kläger zwar nach § 2028 BGB Auskunft zu erteilen. Dabei könne offen bleiben, ob sie diesen Anspruch durch die unstreitig erteilten Auskünfte bereits umfassend erfüllt habe, da sie j...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge