Leitsatz (amtlich)

Wird ein Reparaturauftrag für ein Motorrad beschränkt auf den Ausfall des digitalen Tachometers erteilt und dann die Batterie ausgetauscht, so besteht ohne weitere Anzeichen und ohne weiteren Auftrag keine Pflicht der Werkstatt, das gesamt Elektronik-System des Motorrades zu überprüfen. Eine Probefahrt nach Fertigstellung ist zur Pflichterfüllung ausreichend.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 8 O 145/18)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 11.01.2019, Az. 8 O 145/18, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Nach einem Unfall mit ihrem Motorrad, bei dem sie ungebremst in eine Leitplanke fuhr, verlangt die Klägerin von der Beklagten, die eine Motorradwerkstatt betreibt, Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet war, auch das elektronische Bremssystem des Motorrades der Klägerin zu überprüfen, als sie dieses wegen eines Defekts des Tachometers zur Reparatur gab.

Die Klägerin erwarb im Wege der Finanzierung durch eine Bank im Dezember 2015 ein Motorrad der Marke Honda Typ Fireblade SC 59, das im Februar 2016 zugelassen wurde. Dieses Motorrad verfügt über das elektronisches Bremssystem C-ABS ("brake by wire"), das folgende Funktionsweise hat:

Solange das Fahrzeug steht, bauen Fuß- und Handbremshebel wie bei einer üblichen hydraulischen Bremse Druck in der Bremspumpe auf, der über die Bremsschläuche hin zum Bremssattel gelangt und die Bremsbeläge an die Bremsscheibe drückt. Sobald sich das Fahrzeug in Bewegung setzt, wird jedoch der direkte Fluss der Bremsflüssigkeit von der Pumpe zur Bremse hin von der sogenannten "Valve Unit" unterbrochen. Der gewünschte Bremsdruck wird dann von einem Sensor gemessen und ein Steuergerät (ECU) sorgt dann dafür, dass der nötige Druck aufgebaut und in Richtung der Bremszange weitergegeben wird. Auch eine hydraulische Verbindung zwischen Vorder- und Hinterbremse besteht nicht mehr, für eine optimale Bremslastverteilung sorgt das Steuergerät. Dieses erzeugt beim Betätigen der Bremse durch den Fahrer auch einen künstlichen Gegendruck im Bremshebel, so dass der Fahrer das Gefühl hat, auf herkömmliche Weise zu bremsen. Bei einem Ausfall dieser Elektronik steht dem Fahrer automatisch wieder die hydraulische Bremsanlage zur Verfügung und die Verzögerung der Geschwindigkeit wird wieder durch die direkte Verbindung von Bremshebel zu Bremszylinder ausgelöst.

Am 07.06.2016 brachte die Klägerin ihr Motorrad wegen eines Defekts am digitalen Tachometer zur Werkstatt der Beklagten. Der Werkstattauftrag wurde wie folgt schriftlich festgehalten (Anlage B1): "Tachoeinheit prüfen,- ohne Funktion". Über die Bremsen des Motorrades wurde bei dem Erteilen des Werkstattauftrags nicht gesprochen. In der Werkstatt der Beklagten wurde die Batterie des Motorrades getauscht. Nach einer Probefahrt durch einen Mitarbeiter der Beklagten, bei der der Tachometer wieder funktionierte und es auch sonst keine Auffälligkeiten gab, holte die Klägerin ihr Motorrad am 24.06.2016 ab. Sie fuhr über die B.. in Richtung ihres Wohnortes. Nach wenigen Kilometern verunglückte die Klägerin in einer Kurve; sie fuhr ungebremst in eine Leitplanke und verletzte sich erheblich. Sie erlitt eine Gehirnerschütterung, eine Fraktur des rechten Mittelfingers sowie eine Prellung des rechten Knies und befand sich vom 24.06.2016 bis zum 28.06.2016 in stationärer Krankenhausbehandlung.

Nach dem Unfall beauftragte das Polizeipräsidium Westhessen die DEKRA mit der Erstattung eines Gutachtens zum Unfallhergang.

In diesem Gutachten (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 12.06.2018) ist festgehalten, dass die Klägerin gegenüber dem Sachverständigen angegeben hat, dass sie das Motorrad- Center Altendiez wegen eines Ausfalls der digitalen Geschwindigkeitsanzeige am Kombiinstrument aufgesucht habe. Hier habe man eine zu schwache Batterie festgestellt und diese erneuert. Danach habe die Geschwindigkeitsanzeige wieder funktioniert. Bei der Fahrt auf der B54 habe sie vor einer Linkskurve bremsen wollen. Es habe sich jedoch keine Bremswirkung gezeigt. Sie habe noch versucht, durch mehrfaches Betätigen des Bremshebels Druck aufzubauen.

Der Gutachter der DEKRA konnte bei dem Auslesen des Fehlerspeichers des Motorrades keine Fehlermeldung feststellen.

Das zusammengefasste Ergebnis des Gutachtens der DEKRA vom 25.07.2016 lautete wie folgt:

"Bei dem hier gegenständlichen Unfallgeschehen wurde an dem Krad ON 01 insbesondere an beiden Bremssätteln der Vorderradbremsscheiben eine Siedetemperatur der Bremsflüssigkeit festgestellt, welche deutlich unterhalb der herstellerseitig angegebenen Nass- siedetemperatur lag. Das geschilderte Bremsversagen der Fahrerin des Krades ON 01 ist plausibel auf die deutlich verringerte Siedetemperatur der Bremsflüssigkeit zurückzuführen. Da die Bremsflüssigkeit h...

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