rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Überbau. Überbau in den Bauwich

 

Leitsatz (amtlich)

§ 912 I BGB (Überbau) ist entsprechend anwendbar auf die Verletzung von Grenzabständen (Bauwich).

Gestattet ein Nachbar den unentgeltlichen Bau in den Bauwich, so gilt die Abrede der Unentgeltlichkeit nicht für den Rechtsnachfolger.

 

Normenkette

BGB § 912

 

Beteiligte

Kurt W

Helmut M

 

Verfahrensgang

LG Trier (Aktenzeichen 4 O 173/97)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 20. Februar 1998 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 666,66 DM zu zahlen, sowie eine künftige Überbaurente von 200 DM jährlich, die bis zum 1. Januar jeden Jahres zu entrichten ist.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Der Kläger begehrt die Entfernung einer ursprünglich nur überdachten, jetzt geschlossenen Rampe auf dem Grundstück des Beklagten, soweit diese in den Bauwich hineinragt, hilfsweise eine jährliche Überbaurente von 1.500 DM.

Dem liegt im Einzelnen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Am 2. Dezember 1974 gestattete der Kläger der Rechtsvorgängerin des Beklagten, die Rampenüberdachung im Bauwich zu errichten (Bl. 7 GA). Weiter wurde bestimmt, dass diese Abmachung nur zwischen den Parteien der Vereinbarung Gültigkeit haben sollte.

1995 erwarb der Beklagte das Grundstück zu Eigentum. Die vom Kläger daraufhin begehrte Beseitigung der Rampenüberdachung lehnte er ab.

Der Kläger meint, nicht mehr zur Duldung der Rampenüberdachung im Bauwich verpflichtet zu sein. Andernfalls schulde der Beklagte eine Überbaurente.

Der Beklagte ist der Ansicht, wegen der 1974 erteilten Zustimmung könne Beseitigung nicht verlangt werden. Mangels Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks des Klägers könne dieser auch keine Geldentschädigung beanspruchen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Bei Nichtbeachtung der Abstandsvorschriften der Landesbauordnung sei § 912 BGB entsprechend anzuwenden. Wegen der Gestattung im Jahre 1974 sei seinerzeit rechtmäßig in den Bauwich hineingebaut worden.

Da dem Beklagten als Rechtsnachfolger weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zur Last falle, müsse der Kläger die Rampenüberdachung weiterhin dulden. Da weder der Substanz- noch der Ertragswert des Grundstücks des Klägers beeinträchtigt sei, stehe ihm auch keine Geldentschädigung zu.

Dagegen richtet sich die Berufung. Bei den nachbarrechtlichen Abstandsvorschriften der Landesbauordnung handele es sich um Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. Hiernach sei der Beklagte zur Beseitigung verpflichtet. Denn die 1974 erteilte Gestattung sei mit der Veräußerung an den Beklagten automatisch erloschen. Schon vor dem Eigentumsübergang habe der Beklagte erfahren, dass die Gestattung nur für die Verkäuferin des Grundstücks galt. Wie von § 912 Abs. 1 BGB verlangt, sei der Grenzbebauung alsbald nach dem Eigentumsübergang widersprochen worden. Jedenfalls schulde der Beklagte eine Rente. Es bestehe erhöhte Brandgefahr, weil der Beklagte Kunststofffenster produziere. Jedenfalls müsse er den Wert der zusätzlichen Nutzungsmöglichkeit vergüten.

Der Beklagte erwidert, eine Zustandshaftung lasse sich aus § 823 Abs. 2 BGB nicht herleiten. Der Kläger sei in entsprechender Anwendung von § 912 BGB zur Duldung verpflichtet. Den Verstoß gegen die Bauwich-Vorschriften habe er beim Erwerb des Grundstücks nicht gekannt. Ein Widerspruch wirke nur, wenn er unmittelbar nach der Errichtung des Gebäudes erhoben werde. Da der Kläger bei seinem Grundstück keinen Nutzungsverlust erleide, stehe ihm auch keine Rente zu. Letztlich seien sämtliche Ansprüche verjährt und verwirkt. Äußerst hilfsweise rechne mit einem eigenen Anspruch auf Überbaurente auf. Denn der Kläger verletze seinerseits die Bauwichvorschriften.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat einen unbedeutenden Teilerfolg. Dem Beseitigungsverlangen hat das Landgericht zu Recht nicht entsprochen (1.). Dem Kläger steht jedoch ein Entschädigungsanspruch in entsprechender Anwendung von § 912 Abs. 2 Satz 1 BGB zu (2.).

1.

Einen Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB hat das Landgericht zutreffend verneint. Denn ein Beseitigungsanspruch nach der genannten Vorschrift ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist (§ 1004 Abs. 2 BGB).

So liegt es hier. Der Kläger ist in entsprechender Anwendung von § 912 Abs. 1 BGB verpflichtet, den im Bauwich stehenden Hallenteil zu dulden. § 912 BGB ist auf den Streitfall entsprechend anzuwenden. Wenn der Eigentümer eines Nachbargrundstücks unter bestimmten Voraussetzungen dessen Überbauung mit einem Gebäude dulden muss, kann er keine weitergehenden Rechte haben, wenn unter den Voraussetzungen von § 912 BGB gar nicht in sein Grundstück eingegriffen, sondern lediglich gegen eine ...

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