Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung

 

Normenkette

BGB §§ 242, 1967, 1975 ff., § 1990; ZPO § 767

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 22.01.1997; Aktenzeichen 2 HO 40/96)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 22. Januar 1997 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Koblenz teilweise abgeändert.

Die Zwangsvollstreckung aus den Urteilen des Landgerichts Koblenz vom 30. Mai 1974 (Az. 2 HO 136/74) und vom 12. August 1974 (Az. 2 HO 135/74) wird insgesamt für unzulässig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung – auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer inländischen Bank, Sparkasse oder Genossenschaftsbank – oder Hinterlegung von 18.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit leistet.

 

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin der beiden im Tenor genannten Titel gegen den Kläger, aus denen sie die Zwangsvollstreckung gegen diesen als Titelschuldner betreibt. Einschließlich der aufgelaufenen Zinsen beläuft sich die Gesamtforderung auf mehr als 1/2 Million DM. Der Kläger ist der Sohn der Eheleute T. und J.T. aus B. Der Vater des Klägers betrieb den Handel mit Kartoffeln. Er verstarb im Jahre 1973. Im Zeitpunkt des Todes seines Vaters J.T. (8. Oktober 1973) war der am 14. Juni 1967 geborene Kläger sechs Jahre alt. Erben nach J.T. waren die 1995 verstorbene Mutter des Klägers, Frau T.T., und der Kläger zu je 1/2.

Der Erblasser J. T. hatte erhebliche Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten. Diese erhob deshalb gegen die Mutter des Klägers und den durch diese vertretenen minderjährigen Kläger Wechselklage. Am 30. Mai 1974 erging gegen den durch seine Mutter vertretenen Kläger und gegen diese als Gesamtschuldner ein Teil-Anerkenntnisurteil des Landgerichts Koblenz (2 HO 136/74) über 19.700,00 DM nebst 2 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens jedoch 6 % sowie 40,45 DM Wechselkosten.

In einem weiteren Rechtsstreit machte die Beklagte gegen die Mutter des Klägers und gegen den Kläger, dieser wiederum vertreten durch seine Mutter, einen weiteren Zahlungsanspruch in Höhe von 113.953,57 DM geltend. Das Verfahren war vor dem Landgericht Koblenz zu Az. 2 HO 135/74 anhängig. Das Landgericht erließ am 12. August 1974 ein Versäumnisurteil auf Zahlung von 113.953,57 DM nebst 10 % Zinsen aus 36.243,78 DM für den Zeitraum vom 1. Januar 1970 bis 1. Januar 1971, 10 % Zinsen aus 68.461,13 DM für den Zeitraum vom 1. Januar 1971 bis 1. Februar 1972, 11 % Zinsen aus 79.486,41 DM für den Zeitraum vom 1. Januar 1972 bis 1. Juni 1973 und 16 % Zinsen aus der Gesamtforderung vom 1. Januar 1973 an. Aufgrund dieser Titel erfolgten 1974 und 1975 Vollstreckungsmaßnahmen in den Nachlaß des verstorbenen J.T., namentlich in zwei Grundstücke der Familie T. in B.E., die jedoch bereits zum damaligen Zeitpunkt über den Verkehrswert hinaus belastet waren.

Der Kläger hat vorgetragen,

er habe erst durch die 1996 erfolgte Einleitung der Zwangsvollstreckungsmaßnahme der Beklagten gegen ihn überhaupt von den titulierten Forderungen Kenntnis erlangt.

Er hat die Einrede der Verjährung und die Dürftigkeitseinrede bezüglich des Nachlasses erhoben und weiter geltend gemacht, seine Mutter habe es damals versäumt, die Erbenhaftung auf den Nachlaß beschränken zu lassen. Der Nachlaß des Vaters sei überschuldet gewesen. Er habe seinerzeit als Siebenjähriger keine Gelegenheit zur Willensbetätigung gehabt und sei den Fehlentscheidungen seiner Mutter schutz- und hilfslos ausgeliefert gewesen. Es sei eine grundgesetzkonforme Reduktion der Haftungsfolge aus § 1967 BGB geboten. Es sei unvereinbar mit jeder Vorstellung von materieller Gerechtigkeit, daß jemand, ohne auch nur den geringsten Haftungstatbestand erfüllt zu haben und ohne jemals in irgendeiner Weise die Möglichkeit zum Handeln gehabt zu haben, dem wirtschaftlichen Ruin preisgegeben werde.

Der Kläger hat beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus den genannten Titels für unzulässig zu erklären.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

der Kläger könne sich nicht auf die Einrede der Dürftigkeit bzw. die Unzulänglichkeitseinrede berufen, da Präklusion gemäß § 767 Abs. 2 ZPO gegeben sei. Die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen habe die Mutter des Klägers bereits in dem damaligen Verfahren vorbringen können, was aber nicht geschehen sei. Die Mutter des Klägers habe seinerzeit insbesondere die Möglichkeit des Vorbehalts der Haftungsbeschränkung gehabt. Ihr Unterlassen könne nicht zu Lasten der Beklagten gehen.

Das Landgericht hat die Zwangsvollstreckung aus den beiden Urteilen wegen Verjährung insoweit für unzulässig erklärt, als dort Zinsen für die Zeit nach Rechtskraft der Urteile bis einschließlich 1991 tituliert sind.

Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger berufe sich ohne Er...

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