Entscheidungsstichwort (Thema)

Durchbrechung der Akzessorietät einer Zwangssicherungshypothek im Insolvenzfall bei Restschuldbefreiung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat der Insolvenzgläubiger ein Recht (hier Zwangssicherungshypothek), das ihn zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, so wird dieses auch bei einer Restschuldbefreiung des Insolvenzschuldners von dieser nicht berührt. Das dingliche Recht besteht (nicht mehr akzessorisch) fort.

2. Der Insolvenzschuldner kann dementsprechend nach Restschuldbefreiung auch nicht die Löschung der Zwangssicherungshypothek verlangen.

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Aktenzeichen 4 O 215/18)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 10.12.2020; Aktenzeichen IX ZR 24/20)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 02.08.2019, Az. 4 O 215/18, wird zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4. Das angefochtene Urteil und das Senatsurteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zur Erteilung der Löschungsbewilligung für eine Zwangssicherungshypothek verpflichtet ist.

Der Kläger ist Eigentümer des im Grundbuch von O auf Bl. 459 eingetragenen Grundstücks. Am 20.03.2003 wurde im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens wegen offener Gewerbesteuerforderungen gegen den Kläger in der Abteilung III des Grundbuchs unter der laufenden Nr. 1 eine Zwangssicherungshypothek über 50.122,27 EUR zugunsten der Beklagten eingetragen.

Am 15.09.2003, 23.01.2004 und zuletzt am 21.08.2006 wurde außerdem jeweils die Anordnung der Zwangsversteigerung durch das Amtsgericht R in dem Verfahren 1 K 88/03 in das Grundbuch eingetragen; die entsprechenden Vermerke wurden jedoch am 16.08.2006 und am 26.01.2010 wieder gelöscht.

Durch Beschluss vom 13.06.2010 hat das Amtsgericht M unter dem Aktenzeichen 280 IN schließlich das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Der Eröffnungsvermerk wurde am 07.05.2010 in das Grundbuch eingetragen. Durch Beschluss vom 10.06.2016 hat das Amtsgericht M dem Kläger gemäß § 300 InsO Restschuldbefreiung erteilt (Bl. 16 d.A.). Der Vermerk über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde am 21.09.2017 im Grundbuch gelöscht.

Der Kläger ersuchte die Beklagte sodann außergerichtlich durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 07.08.2018 (Bl. 17 d.A.) um die Erteilung der Löschungsbewilligung für die noch immer im Grundbuch eingetragene Zwangssicherungshypothek. Die Beklagte lehnte dies ab mit der Begründung, dass die Zwangssicherungshypothek bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetragen worden und die gesicherte Forderung daher von der Restschuldbefreiung nicht betroffen sei (Bl. 21 d.A.).

Der Kläger hat in erster Instanz vorgetragen,

dass die Beklagte die Reichweite der Restschuldbefreiung verkenne. Eine Sicherungshypothek sei streng akzessorisch. Da er, der Kläger, durch die Erteilung der Restschuldbefreiung von der Haftung für die der Zwangssicherungshypotkek zu Grunde liegenden Forderung befreit worden sei, folge aus der strengen Akzessorietät, dass auch eine Vollstreckung aus der Zwangssicherungshypothek selbst nicht mehr möglich sei. Die Beklagte sei deshalb zur Erteilung der Löschungsbewilligung für die eingetragene Zwangssicherungshypothek verpflichtet.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, die Löschung der im Grundbuch von O (bei K), Blatt 459, in Abteilung III, lfd. Nr. 1, im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens eingetragenen Zwangssicherungshypothek über 50.122,27 EUR nebst 4 % Zinsen zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Sie hat in erster Instanz vorgetragen,

der Gesetzgeber habe zum Erhalt von Sicherheiten eine ausdrückliche Regelung getroffen. Von der Restschuldbefreiung seien die Absonderungsrechte ausgenommen. Hierzu zählten aber alle Grundpfandrechte und damit auch die Zwangssicherungshypothek. Die Verwertung einer solchen Sicherheit sei auch noch nach erteilter Restschuldbefreiung uneingeschränkt möglich.

Das Landgericht hat einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erteilung der Löschungsbewilligung für die Zwangssicherungshypothek aus §§ 875 Abs. 1, 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB i.V.m. §§ 286, 301 Abs. 1 InsO verneint und die Klage abgewiesen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Grundsatz, dass der Insolvenzschuldner durch die Restschuldbefreiung von den Forderungen gegenüber den Insolvenzgläubigern frei werde, hier durch die Ausnahmeregelung des § 301 Abs. 2 S. 1 InsO durchbrochen werde. Nach dieser Vorschrift würden die Rechte der Insolvenzgläubiger aus einem Recht, dass im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befried...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge