Entscheidungsstichwort (Thema)

Notarielles Schuldanerkenntnis eines Bordellbesuchers unter der konkludenten Drohung, die Veröffentlichung seines Fotos im Internet ansonsten fortdauern zu lassen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bringt ein Gast den weiteren Betrieb eines Bordells durch Werfen von Stinkbomben zum Erliegen, was den Bordellbetreiber veranlasst, zur Identitätsklärung die Videoaufzeichnung der Tat im Internet zu veröffentlichen, muss dies beendet werden, sobald die Personalien des Täters feststehen.

2. Ein unter Fortdauer der Veröffentlichung erwirktes notarielles Schuldanerkenntnis, den pauschaliert geschätzten Betriebsschaden zu ersetzen, ist anfechtbar, wenn es unter der Drohung zustande gekommen ist, die Veröffentlichung erst nach einem derartigen Zahlungsversprechen zu beenden. Eine derartige Drohung kann auch konkludent zum Ausdruck gebracht werden.

 

Normenkette

BGB §§ 123-124, 143, 227, 780-781; ZPO § 767 Abs. 1, § 794 Abs. 1 Nr. 5, § 795 S. 1; KunstUrhG § 22; StGB § 34

 

Verfahrensgang

LG Trier (Urteil vom 09.08.2013; Aktenzeichen 11 O 151/13)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 11. Zivilkammer des LG Trier vom 9.8.2013 aufgehoben. Die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus der Urkunde des Notars S. in T. vom 28.1.2013 UR-Nr. wird für unzulässig erklärt. Außerdem hat die Beklagte die vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde an den Kläger herauszugeben.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beklagte vermietet in einem in T. gelegenen Gebäude Zimmer an Prostituierte. Dort warf der Kläger am 12.01. und 25.1.2013 Stinkbomben. Es gelang der Beklagten, ihn zu identifizieren, nachdem sie in ihrer Videoüberwachungsanlage gespeicherte Fotos seiner Person ins Internet gestellt hatte.

Der Versuch, den Kläger am 27.1.2013 in seiner Wohnung zur Rede zu stellen, schlug fehl. Danach kam es am 28.1.2013 zu einem Gespräch mit einem Generalbevollmächtigten der Beklagten und nachfolgend zu einem gemeinsamen notariellen Termin, bei dem der Kläger im Hinblick auf die durch sein Verhalten entstandenen Schäden ein auf 12.000 EUR nebst Zinsen lautendes Schuldanerkenntnis gegenüber der Beklagten unterzeichnete und sich deswegen der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein Vermögen unterwarf. Die Beklagte versprach in derselben Urkunde, die Fotos des Klägers aus dem Internet herauszunehmen und alle über den Kläger gespeicherten Daten unter Verschluss zu halten. Des Weiteren sollten die gegen ihn gestellten Strafanträge zurückgezogen werden, sobald er seine Zahlungszusage erfüllt hatte.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger beantragt, die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären. Das Schuldanerkenntnis stehe in keinem Verhältnis zu dem angerichteten Schaden und sei wucherisch. Unabhängig davon habe er es rechtswirksam angefochten, da er unter Druck gesetzt worden sei.

Das LG hat die Klage abgewiesen: Der Kläger habe ein deklaratorisches Anerkenntnis abgegeben, das ihm den Einwand, betraglich überfordert worden zu sein, abschneide. Er sei auch nicht in verwerflicher Weise bedroht worden.

Das greift der Kläger mit der Berufung an. Er erneuert seinen Vollstreckungs- abwehrantrag und erstrebt ergänzend die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des gegen ihn geschaffenen Titels. Seiner Ansicht nach vernachlässigt die angefochtene Entscheidung die Zwangslage, in der er sich befunden habe. Dem tritt die Beklagte entgegen. Sie erachtet die Berufung bereits für unzulässig, da es an konkreten Angriffen des Klägers fehle.

II. Das Rechtsmittel erfüllt entgegen der Auffassung der Beklagten die Zulässigkeits- voraussetzungen des § 520 Abs. 3 ZPO, indem es sich gegen das Entscheidungs- ergebnis des LG insgesamt wendet und dabei dessen rechtliche Würdigung beanstandet, es sei zu keiner rechtlich relevanten Nötigung des Klägers gekommen (vgl. BGH NJW 1997, 1309; BGH MDR 2003, 1130). In der Folge führt es zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zum Zuspruch des Klageverlangens. Der angefochtene Titel hat keinen Bestand, so dass eine Zwangsvollstreckung daraus unzulässig ist (§§ 794 Abs. 1 Nr. 5, 795 S. 1, 767 Abs. 1 ZPO) und seine vollstreckbare Ausfertigung an den Kläger herausgeben werden muss (§ 371 BGB analog).

1. Allerdings stellt die streitige notarielle Urkunde vom 28.1.2013, wie das LG richtig gesehen hat, ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar, indem sie auf die Schadensereignisse vom 12.01. und 25.1.2013 Bezug nimmt und dabei die von der Beklagten geltend gemachte Verantwortlichkeit des Klägers festschreibt (vgl. BGH NJW 2008, 1589; Marburger in Staudinger, BGB, 2009, § 781 Rz. 24), Das verwehrt dem Kläger die Möglichkeit, seine in der Urkunde niedergelegte Verpflichtung mit dem Hinweis darauf, ihr fehle der Rechtsgrund, zu kondizieren (vgl. insoweit § 812 Abs. 2 BGB zum konstituitven Schuldanerkenntnis) oder einredeweise abzuwehren (vgl. insoweit § 821 BGB zum konstitutiven Schuldanerke...

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