Entscheidungsstichwort (Thema)

Meinungsäußerung im Internet - Unterlassungsanspruch

 

Normenkette

GG Art. 5 Abs. 1 S. 1; BGB § 12 S. 2, § 823 Abs. 1-2; BGB analog § 1004 Abs. 1 S. 2; ZPO §§ 935, 940

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 16.01.2007; Aktenzeichen 6 O 48/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Koblenz vom 16.1.2007 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Verfügungsbeklagte hat es zu unterlassen, in der Öffentlichkeit - insb. im Internet und sonstigen Publikationen - der Verfügungsklägerin "Machtmissbrauch in Ausübung ihres Amtes" vorzuwerfen.

Der weitergehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Dem Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 1.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu einem Monat, sowie Ordnungshaft bis zu einem Monat angedroht.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits im ersten und zweiten Rechtszug tragen die Verfügungsklägerin zu 1/3 und der Verfügungsbeklagte zu 2/3.

 

Gründe

I. Die Verfügungsklägerin ist als Abteilungsleiterin im Jugendamt der Stadt N. seit Februar 2004 dienstlich mit dem Sorgerechtsstreit zwischen der jetzigen Ehefrau des Verfügungsbeklagten und ihrem geschiedenen Ehemann befasst; sie verlangt vom Verfügungsbeklagten als verantwortlichem Betreiber und Autor der Website www.(...).de die Unterlassung einer ehrenrührigen Behauptung.

Es wird auf die tatbestandlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Der Verfügungsbeklagte hatte nach vorprozessualer Abmahnung im September 2006 den Kontext der beanstandeten Behauptung (Fallberichte/Eigener Fall; Ausdruck Bl. 8 GA) zunächst umformuliert (Ausdruck Bl. 12 GA); seit Mitte Dezember 2006 hat er die betreffende Passage - "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" - entfernt.

Das LG hat mit Urteil vom 16.1.2007 (Bl. 36-41 GA) dem Unterlassunsgsbegehren der Verfügungsklägerin im Wesentlichen stattgegeben; es hat die streitgegenständliche Äußerung als unwahre Tatsachenbehauptung eingeordnet. Hiergegen richtet sich die Berufung des Verfügungsbeklagten.

Der Verfügungsbeklagte geht von einer "bloßen Meinungsäußerung" über für Außenstehende "konkret nicht oder nur im Ansatz nachvollziehbare verwaltungsinterne Entscheidungsprozesse" aus und rügt weiter eine fehlerhafte Verfahrensführung des LG nach dem Widerruf des im ersten Rechtszug geschlossenen Prozessvergleichs ("Kehrtwendung im Urteil ohne rechtliches Gehör").

Der Verfügungsbeklagte beantragt, das Urteil des LG Koblenz vom 16.1.2007 abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin verteidigt das angefochtene Urteil und erkennt in der beanstandeten Passage der Website - entgegen der nach ihrer Auffassung "spitzfindigen Auslegung" der Berufung sehr wohl einen ehrverletzenden Vorwurf; die betreffende "Verunglimpfung" beziehe sich gerade auf einen "realen Fall" vor dem Jugendamt N.

II. - Die zulässige - Berufung führt zur Einschränkung des Unterlassungsausspruchs.

Die Verfügungsklägerin kann vom Verfügungsbeklagten - vorläufig - die Unterlassung der inkriminierten und als solche unstreitigen Äußerung ("Machtmissbrauch in Ausübung ihres Amtes") in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang verlangen (§§ 935, 940 ZPO).

1. Der Senat bejaht mit dem LG den Verfügungsgrund. Die Verfügungsklägerin, die ohne zeitlichen Verzug gegen den - abgeänderten - Inhalt der Webseite vorgegangen ist, ist zur Sicherung ihrer (verfassungsrechtlichen) Rechtsposition dringlich auf die begehrte einstweilige Regelung angewiesen; der Verfügungsbeklagte könnte die beanstandete - zwischenzeitlich "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" aus dem Netz entfernte - Äußerung ansonsten jederzeit wieder aufgreifen und aktualisieren.

2. Der Verfügungsanspruch folgt - nach der gebotenen summarischen Prüfung - aus § 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. § 185 StGB; §§ 12, 1004 BGB analog.

Die hier inmitten stehende Wortbeitrag im Internet greift in das grundrechtlich verbürgte, auch im bürgerlichen Recht anerkannte und geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin ein und ist - wie der Senat in der mündlichen Verhandlung erläutert hat - jedenfalls insoweit vom Grundrecht des Verfügungsbeklagten auf Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckt, als die Äußerung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

a) Bei der Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG/Art. 4 Satz 1 LV; sozialer Geltungs- und Achtungsanspruch) und der Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG/Art. 10 Abs. 1 Satz 1 LV/Art. 10 EMRK) kommt der Abgrenzung zwischen der Tatsachenbehauptung und der Meinungsäußerung (Werturteil) besondere Bedeutung zu. Werturteile sind durch das Element des Wertens, insb. der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt und im Unterschi...

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