Entscheidungsstichwort (Thema)

Versehentliches Urteil gegen den vorläufigen Insolvenzverwalter des Schuldners

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, ohne dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen, ist das ohne Einfluss auf einen vom Schuldner geführten Rechtsstreit.

2. Richtet sich das Urteil gleichwohl gegen den Insolvenzverwalter, kann dieser die Entscheidung nur mit dem Ziel der Aufhebung und Zurückverweisung in die erste Instanz anfechten, wenn zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, jedoch lediglich eine einfache Insolvenzforderung betroffen ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 240, 249 Abs. 3; InsO § 22 Abs. 2, §§ 86, 174, 179-180

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Urteil vom 11.01.2005; Aktenzeichen 1 O 212/04)

 

Tenor

Auf die Berufung des Insolvenzverwalters der beklagten GmbH (A. GmbH) wird das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Mainz vom 11.1.2005 aufgehoben und die Sache an das LG zurückverwiesen.

Das weiter gehende Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Zwangsvollstreckung kann gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des Vollstreckungsbetrages abgewendet werden, wenn nicht die vollstreckende Seite zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe stellt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

1. Der Kläger hat beim LG eine GmbH (A. GmbH) auf Zahlung von 80.000 EUR nebst Zinsen verklagt. Dieserhalb ist am 9.9.2004 ein Versäumnisurteil ergangen, gegen das die beklagte GmbH Einspruch eingelegt hat. Auf die mündliche Verhandlung vom 14.12.2004 hin ist am 11.1.2005 ein kontradiktorisches Urteil erlassen worden, das gegen den Insolvenzverwalter der GmbH gerichtet ist. Das Urteil bezeichnet ihn noch in seiner alten Stellung als vorläufigen Insolvenzverwalter, weil dem LG bei der Verkündung nicht bekannt war, dass unmittelbar zuvor das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet worden war.

Der Insolvenzverwalter der GmbH greift das Urt. v. 11.1.2005 mit der Berufung an und beantragt die Abweisung der Klage, hilfsweise die Zurückverweisung des Rechtsstreits.

I. Das Rechtsmittel hat im Hilfsantrag Erfolg. Es führt insoweit unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache. Im Hauptantrag vermag es freilich nicht durchzudringen.

a) Eine sachliche Abweisung des Klageanspruchs, den der Insolvenzverwalter der GmbH in erster Linie erstrebt, kommt nicht in Betracht. Bei dem Klageanspruch handelt es sich nämlich um eine Forderung, die sich gegen die in Insolvenz gefallene GmbH richtet. Dieserhalb ist der Rechtsstreit gem. § 240 S. 1 ZPO unterbrochen und kann, da eine einfache Insolvenzforderung vorliegt, von dem Insolvenzverwalter nicht nach § 86 InsO aufgenommen werden. Die Forderung ist deshalb zur Tabelle anzumelden. Erst wenn sie im Prüfungstermin bestritten wird, kann sie wieder Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung sein (§§ 179, 180 Abs. 2, 184 S. 2 InsO; Schumacher in MünchKomm/InsO, vor § 85 Rz. 78).

b) Gleichwohl ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

Das ergibt sich allerdings noch nicht daraus, dass es - wie die Berufung gemeint hat - im Hinblick auf die bereits erwähnte Vorschrift des § 240 S. 1 ZPO nicht hätte ergehen dürfen. Die diesbezügliche Rüge des Insolvenzverwalters der GmbH (zu deren grundsätzlicher Zulässigkeit vgl. BGH v. 16.1.1997 - IX ZR 220/96, MDR 1997, 494 = NJW 1997, 1445) greift nicht. Sie scheitert von vornherein an der Bestimmung des § 249 Abs. 3 ZPO. Da das Insolvenzverfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch nicht eröffnet worden war, war das LG nicht gehindert, ein Urteil zu verkünden. Dass die mündliche Verhandlung erst nach der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung stattfand, ändert an diesem Ergebnis nichts. Dadurch kam es nämlich nicht zu einer Unterbrechung des Rechtsstreits gem. § 240 S. 2 ZPO. Eine solche Unterbrechung hätte vorausgesetzt, dass die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis nach § 22 Abs. 1 InsO auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen wäre (Haarmeyer in MünchKomm/InsO, § 22 Rz. 24). Davon kann jedoch im Hinblick auf die beschränkten Anordnungen, die seinerzeit auf der Grundlage von § 22 Abs. 2 InsO erlassen wurden, keine Rede sein (BGH NJW 1999, 2822; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 240 Rz. 5; Musielak/Stadler, ZPO, 3. Aufl., § 240 Rz. 3).

Insofern wurde der Rechtsstreit, der gegen die GmbH eingeleitet worden war, durch die Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht beeinflusst. Die beklagte GmbH blieb uneingeschränkt Prozesspartei. Dennoch ist das angefochtene Urt. v. 11.1.2005 gegen den Insolvenzverwalter der Beklagten in dessen damaliger Rolle als vorläufiger Insolvenzverwalter erlassen worden. Er wird im Rubrum als Beklagter genannt. Außerdem heißt es im Tenor, dass er die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe. Zwar ist dann im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen verschiedentlich davon die Rede, dass sich die Kl...

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