Entscheidungsstichwort (Thema)

Energiewirtschaftsrecht. Verwirkung des Rechts auf gerichtliche Entscheidung über die Billigkeit der einseitigen Preisbestimmung eines Wasserversorgungsunternehmens. Formularmäßige Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel im Sondervertrag eines Gasversorgungsunternehmens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Recht, eine gerichtliche Entscheidung darüber herbeizuführen, ob die einseitige Preisbestimmung eines Wasserversorgungsunternehmens der Billigkeit entspricht, kann durch illoyale Verzögerung der Klageerhebung verwirkt sein. Ein solches ist jedenfalls dann regelmäßig anzunehmen, wenn der Kunde mehr als 10 Jahre lang den vom Versorger berechneten Preis beanstandungslos bezahlt hat und die einzige Preisänderung innerhalb dieser Zeitspanne eine Preissenkung war.

2. Ein von einem Versorgungsträger für die Inanspruchnahme von Leistungen der Daseinsvorsorge einseitig festgesetzter Tarif wird zum vereinbarten Preis, wenn der Kunde die auf dem geänderten Tarif basierende Jahresabrechnung des Versorgers unbeanstandet hinnimmt, indem er weiterhin die in Rede stehende Leistung von ihm bezieht, ohne die Tariffestsetzung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB als unbillig zu beanstanden.

3. In dem formularmäßigen Sondervertrag eines Gasversorgungsunternehmens mit einem Letztverbraucher über dessen Versorgung mit Erdgas ist die Preisanpassungsklausel

"Der vorstehende Gaspreis ändert sich, wenn eines Änderung der allgemeinen Tarifpreise eintritt."

gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB unwirksam, weil sie hinsichtlich des Umfangs der Preisänderung nicht klar und verständlich ist und die Kunden deshalb unangemessen benachteiligt.

4. Bei einem Sonderkundenvertrag, der neben einem bezifferten Anfangspreis die vorbezeichnete Preisanpassungsklausel und die formularmäßige Bestimmung

"Soweit in diesem Sondervertrag nichts anderes vereinbart wird, gelten die jeweils gültige 'Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden' (AVBGasV) und die Anlagen hierzu."

enthält, ergibt sich auch im Wege ergänzender Vertragsauslegung nicht ohne weiteres ein Preisanpassungsrecht des Gasversorgungsunternehmens nach oder in Anlehnung an die Bestimmung des § 4 AVBGasV.

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 1 Sätze 1-2, § 315; AVBGasV § 4

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Entscheidung vom 27.05.2008)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 27.05.2008 verkündete Teilurteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Koblenz teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 261,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 29,- € seit dem 02.02.2006, 02.03.2006, 03.04.2006, 02.05.2006, 02.06.2006, 03.07.2006, 02.08.2006, 02.09.2006 und 04.10.2006 zu zahlen.

b. Auf die Widerklage wird festgestellt,

(1) dass die von der Klägerin in dem zwischen den Parteien bestehenden Gaslieferungsvertrag zum 01.01.2006, 01.05.2006 und 15.10.2006 vorgenommenen Preisbestimmungen der Gastarife unwirksam sind;

(2) dass die von Seiten der Klägerin ermittelten Teilbeträge (Abschlagszahlungen) anlässlich der Jahresabrechnung der Klägerin vom 16.11.2006 in Höhe von jeweils 187,- € für den Bezug von Erdgas unbillig und unwirksam sind;

(3) dass die Jahresendabrechnung der Klägerin vom 16.11.2006 bezogen auf den Erdgasverbrauch im Zeitraum vom 23.09.2005 bis 25.09.2006 unwirksam ist.

c. Die Widerklage wird abgewiesen, soweit der Beklagte verlangt, festzustellen,

(1) dass die von der Klägerin in dem zwischen den Parteien bestehenden Gaslieferungsvertrag zum 11.10.2002, 01.01.2003, 01.07.2003, 11.10.2003, 01.01.2004, 01.12.2004 und 01.07.2005 vorgenommenen Preisbestimmungen der Gastarife unbillig und unwirksam sind;

(2) dass die Jahresendabrechnungen der Klägerin vom 19.11.2003, 18.11.2004 und 18.11.2005 bezogen auf den Erdgasverbrauch in den Zeiträumen von 01.01.2002 bis 22.09.2005 unbillig und unwirksam sind;

(3) dass die Jahresendabrechnungen der Klägerin vom 19.11.2003, 18.11.2004, 18.11.2005 und 16.11.2006 bezogen auf den Wasserverbrauch in den Zeiträumen 11.10.2002 bis 25.09.2006 unbillig und unwirksam sind;

(4) dass die von Seiten der Klägerin ermittelten Teilbeträge (Abschlagszahlungen) anlässlich der Jahresendabrechnung vom 16.11.2006 in Höhe von jeweils 29,- € für den Zuwasserbezug unbillig und unwirksam sind.

2. Die Sache wird unter Aufhebung des am 27.05.2008 verkündeten Teilurteils der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Koblenz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, soweit der Widerklageantrag zurückgewiesen worden ist, festzustellen,

dass die von Seiten der Klägerin ermittelten Teilbeträge (Abschlagszahlungen) anlässlich der Jahresendabrechnung vom 19.11.2007 in Höhe von jeweils 30,- € für den Zuwasserbezug unbillig und unwirksam sind.

3. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen des Berufungsverfahrens bleibt dem Land...

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