Leitsatz (amtlich)

Ein grobes Verschulden des Fußgängers, der bei Schaltung der Fußgängerampel auf rot ungeachtet eines herannahenden Fahrzeugs die mehrspurige Straße überqueren wollte, lässt auch die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs zurücktreten, wenn diesem kein Verschulden an dem anschließenden Fußgängerunfall nachzuweisen ist. Ein Zeugnis vom Hörensagen ist zwar verwertbar, jedoch ist der Beweiswert solcher Angaben, die nur mittelbar Schlüsse auf das eigentliche Geschehen zulassen, jedenfalls wesentlich geringer als der Beweiswert der Aussage einer Beweisperson, die über eigene unmittelbare Wahrnehmungen zum Kerngeschehen berichten kann. Bekundungen von Zeugen und Parteien, die Jahre nach einem Unfallgeschehen gemacht haben, verlieren an Aussagekraft für die Beweisführung im Strengbeweisverfahren.

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Entscheidung vom 24.08.2004; Aktenzeichen 1 O 380/03)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 24. August 2004 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 30. Mai 2001 gegen 14.00 Uhr auf der R...strasse in M... zugetragen hat. Der Zweitbeklagte fuhr mit seinem Pkw Opel Zafira, der bei der Erstbeklagten gegen Haftpflicht versichert ist, die R...strasse auf der rechten von zwei gleichgerichteten Fahrspuren in Richtung P...-Allee. An der Fußgängerampel bei der Einmündung der H...strasse in die R...strasse standen auf der - in Fahrtrichtung des Klägers gesehen - rechten Seite mehrere Personen, darunter der Kläger. Der Kläger betrat die Fahrbahn, als die Fußgängerampel für ihn noch auf "rot" geschaltet war. Dabei wurde er von dem vom Zweitbeklagten geführten Pkw erfasst und an der rechten Körperseite verletzt.

Der Kläger hat behauptet, für ihn von links kommende Fahrzeuge auf der R...strasse hätten abgebremst, so dass er, der Kläger, davon ausgegangen sei, sie würden vor dem Fußgängerüberweg anhalten und die Fußgängerampel werde alsbald auf grün umschalten. Auch der Zweitbeklagte habe seine Fahrgeschwindigkeit verlangsamt, sei dann aber unter erneuter Beschleunigung weiter gefahren, um die Haltelinie vor der Fußgängerampel noch bei der Ampelschaltung auf gelb zu passieren. Er sei dabei mit mindestens 50 km/h gefahren.

Der Kläger lässt sich ein hälftiges Mitverschulden anrechnen und verfolgt in diesem Umfang sein Klageziel, die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes und zum Ersatz von Verdienstausfall herbeizuführen; ferner erstrebt er die gerichtliche Feststellung, dass die Beklagten ihm als Gesamtschuldner zum Ersatz allen weiteren Schadens aufgrund des genannten Unfallereignisses verpflichtet sind, soweit nicht Ansprüche auf Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten haben behauptet, der Kläger sei in der Fußgängergruppe stehend hochgesprungen; er habe gleichsam einen "Hüpfer" gemacht. Das sei Anlass für den Zweitbeklagten gewesen, zuerst vom Gas zu gehen, was er aber nach Beendigung des Sprunges wieder aufgegeben habe, weil der Kläger danach zunächst wieder in der Personengruppe verschwunden sei. Die Ampel sei beim Überfahren der Haltelinie für den Zweitbeklagten auf "grün" geschaltet gewesen.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer vom 24. August 2004 abgewiesen. Es hat angenommen, ein Verschulden des Zweitbeklagten sei nicht bewiesen. Auch die Betriebsgefahr des Pkw Opel Zafira trete angesichts des Verschuldens des Klägers zurück.

Mit der Berufung erstrebt der Kläger weiterhin auf der Grundlage einer Haftungsquote von 50 : 50 die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 4.000 Euro, ferner von 1.727,05 Euro als Ersatz für Kosten wegen der verletzungsbedingt verlängerten Studienzeit und von 5.700 Euro Verdienstausfall, jeweils nebst Zinsen, schließlich die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden aufgrund des Unfallereignisses bei Berücksichtigung eines Mitverschuldens zu 1/2.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen G... (Bl. 187 ff. GA), Parteivernehmung des Zweitbeklagten (Bl. 189 ff. GA), Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. B... (Bl. 224 ff. GA), Parteivernehmung des Klägers (Bl. 267 ff. GA), Vernehmung seiner Ehefrau A... B... als Zeugin (Bl. 264 ff. GA) und Vernehmung seiner Mutter R... K... als Zeugin (Bl. 270 ff. GA). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen des Senates vom 19. Mai 2005 und 20. November 2006 sowie auf das bei den Akten befindliche Sachverständigengutachten Bezug genommen. Ferner war die Akte der Staatsanwaltschaft Mainz 3129 Js 18147/01 Gegenstand der mündlichen V...

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