Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein zeitlich unbefristeter Krankenunterhalt bei kinderloser Ehe von 6-jähriger Dauer und dem Fehlen ehebedingter Nachteile

 

Leitsatz (amtlich)

Ein rein zeitlicher Zusammenhang des Auftretens einer Krankheit zu der Ehe reicht jedenfalls bei einer Ehedauer von 6 Jahren einer kinderlos gebliebenen Ehe nicht aus, um ein Weiterbestehen des Unterhaltsanspruchs aus dem Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität zu begründen.

 

Normenkette

BGB §§ 1572, 1578b Abs. 1-2; EGZPO § 36 Nrn. 1-2

 

Verfahrensgang

AG Wittlich (Urteil vom 02.04.2008; Aktenzeichen 8 F 7/08)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AG - FamG - Wittlich vom 2.4.2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung nachehelichen Unterhalts.

Der am 14.10.1964 geborene Kläger ist algerischer Staatsangehöriger.

Die Beklagte ist am 3.10.1945 geboren. Sie war bereits einmal verheiratet. Die Parteien heirateten am 21.11.1996. Die Ehe wurde durch Urteil des AG Wittlich vom 26.3.2003 (8 F 484/02) geschieden.

Die Beklagte bezieht seit 1.1.2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung i.H.v. 599 EUR monatlich. Zum Zeitpunkt der Eheschließung arbeitete die Beklagte nicht. Sie hatte im Jahr 1979 einen schweren Unfall mit Schädelhirntrauma und Schädelfrakturen erlitten. Der Rentenversicherungsträger holte im Jahr 2005 ein Gutachten zur Erwerbsfähigkeit der Klägerin ein. Der Gutachter stellte die Diagnose "ausgeprägte chronifizierte depressive Störung vor biographischem Hintergrund".

Wegen der Einzelheiten wird auf das Rentengutachten Bl. 282-287d. BA 8 F 253/02, AG Wittlich - Bezug genommen. In der medizinischen Anamnese des Rentengutachtens heißt es:

"1979 Schädelhirntrauma 3. Grades mit offener fronto-temporaler Schädelkalottenfraktur rechts sowie fronto-basaler Fraktur.

1975 und 1995 Selbstmordversuche.

Seit ca. 30 Jahren rezidivierende depressive Symptomatiken mit Dekompensationen. Vom behandelnden Fachnervenarzt wird eine rezidivierende depressive Störung mit depressivem Residiuum in Comorbidität mit einer abhängigen Persönlichkeitsstörung gesehen (Dr. O.).

1996 psychosomatisches Heilverfahren Berus".

Das Gutachten kommt zu folgendem Ergebnis:

"Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass bei Längs- und Querschnittbetrachtung eine ausgeprägte depressive Störung vorliegt.

Aufgrund der Chronizität der Erkrankung kann eine Besserung der Symptomatik nicht erwartet werden. Arbeiten von wirtschaftlichem Wert können dauerhaft nicht mehr abverlangt werden."

Der Senat hat in dem Urteil vom 8.11.2006 (9 UF 238/06) den Kläger verurteilt, an die Beklagte ab 1.4.2003 monatlichen Krankenunterhalt von zuletzt 189,09 EUR monatlich zu zahlen. Der Kläger bezog damals ein bereinigtes Erwerbseinkommen von 1.783 EUR netto, das sich bis heute nicht wesentlich verändert hat. Der Senat ging davon aus, dass die Beklagte bereits seit Jahren schwer krank und im Unterhaltszeitraum nicht mehr erwerbsfähig war, auch wenn sie im Jahre 2002/2003 noch geringfügig (Verdienst: ca. 120 EUR monatlich) als Reinigungskraft tätig war.

Der Kläger hat in erster Instanz eine Abänderung des Urteils des Senats vom 8.11.2006 dahingehend begehrt, dass er ab 1.1.2008 keinen Unterhalt mehr schulde und außerdem die Herausgabe des Titels verlangt. Er hat behauptet, er sei seit dem 21.3.2007 wieder verheiratet und seiner Ehefrau, die kein Einkommen habe, unterhaltspflichtig. Nach der Unterhaltsreform bestehe seit Januar 2008 kein Unterhaltsanspruch der Beklagten mehr, da es insbesondere bei relativ kurzer Ehe keine lebenslange Unterhaltsgarantie mehr gebe. Der Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente der Beklagten beruhe im Wesentlichen auf den Folgen des schweren Unfalls aus dem Jahre 1979.

Die Beklagte hat vorgetragen, dem Kläger sei es nur darum gegangen, eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu erhalten. Als ihm dies gelungen sei, sei er ihr gegen über gewalttätig geworden und habe sie bedroht und beleidigt. Im Übrigen sei sie auf die Unterhaltszahlungen des Klägers angewiesen.

Das AG hat in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass der Kläger ab 1.8.2008 keinen Unterhalt mehr zu zahlen hat und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Unterhalt sei bis einschließlich Juli 2008 nach § 1578b Abs. 2 BGB zu befristen, da die Ehe relativ kurz gewesen und kinderlos geblieben sei. Die bei der Beklagten festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen stellten keine ehebedingten Nachteile dar und seien im Wesentlichen auf den die Folgen des Verkehrsunfalls zurückzuführen. Die psychischen Belastungen, die mit der Trennung verbunden waren, dürfe die Beklagte mittlerweile überwunden haben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die der Auffassung ist, der Kläger sei mit dem Einwand der Befristung präkludiert. Es bestehe kein Grund zur Annahme, ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen hätten bereits in rechtserhebli...

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