Leitsatz (amtlich)
1. Zur Wirksamkeit einer formularmäßigen Haftungsübernahme des Stellvertreters.
2. Zum Rücktritt von einer im Herbst 2019 für Ende Mai/Anfang Juni 2020 gebuchten Pauschal-Gruppenreise aufgrund der COVID-19-Pandemie.
3. Der Reisende kann von einer Pauschalreise nicht frühestens vier Wochen vor Reisebeginn kostenfrei (§ 652h Abs. 3 BGB) zurücktreten.
4. Das Storno-Entschädigungsverlangen eines Pauschalreiseveranstalters kann dann rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Voraussetzungen des § 6512h Abs. 3 BGB zwar nicht zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vorliegen, die Pauschalreise dann aufgrund entsprechender unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände tatsächlich nicht durchgeführt werden kann.
Normenkette
BGB § 305c Abs. 1, §§ 307, 309 Nr. 11, § 651h Abs. 1, 3
Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 28.04.2021; Aktenzeichen 11 O 181/20) |
Tenor
1. Die gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier - Einzelrichter - vom 28. April 2021 gerichtete Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Sowohl das vorliegende als auch das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist ein auf Chor- und Gruppenreisen spezialisierter Anbieter von Bus- und Gruppenreisen. Sie organisiert Pauschalreisen für Gruppen ab 20 Personen und führt diese durch.
Die Beklagte ist Vorsitzende des [...] e.V.. Am 14. Oktober 2019 unterzeichnete sie eine an die Klägerin gerichtete "Gruppenanmeldung" des [...] e.V. bezüglich einer Gruppenreise für 35 bis 45 Personen nach Berlin im Reisezeitraum 28. Mai 2020 bis 1. Juni 2020 "lt. Angebot vom 25. Juli 2019". In dieser war als "Name des Vereins" eingetragen: "[...] e.V. - Vokalensemble [...]". Des Weiteren war als "Name des Vertragspartners" eingetragen: "[...]". Vor der (ersten) Unterschrift wies das entsprechende Formular den Satz "Es gelten die umseitigen AGB's und Stornobedingungen !" auf. Des Weiteren unterzeichnete die Beklagte gesondert eigenhändig den folgenden nach der ersten Unterschrift abgedruckten Passus: "Ich - der Vertragspartner - erkläre ausdrücklich als Vertreter/in der Gruppe zu handeln und für vertragliche Verpflichtungen der von mir angemeldeten Teilnehmer zu haften:" Wegen der weiteren Einzelheiten der "Gruppenanmeldung" vom 14. Oktober 2019 wird ergänzend auf deren als Anlage K 2 zur Gerichtsakte gereichte Ablichtung (Bl. 4 Anlagenband) Bezug genommen. Die Buchung wurde klägerseits unter dem 18. Oktober 2019 bestätigt.
Im Nachgang - am 12. Januar 2020 - übermittelte ein Mitglied des [...] e.V. der Klägerin per E-Mail ein mit "Organisationsbogen" überschriebenes und seitens des vorbezeichneten Vereins ausgefülltes Formular der Klägerin. Darin wurden 46 Teilnehmer der Reise in 16 Doppel- und 14 Einzelzimmern mitgeteilt. Wegen der weiteren Einzelheiten des betreffenden Formulars wird ergänzend auf dessen als Anlage K 5 zur Gerichtsakte gereichte Ablichtung (Bl. 12 f Anlagenband) Bezug genommen.
Unter dem 5. März 2020 berechnete die Klägerin dem [...] e.V. für 46 Teilnehmer der Reise in 16 Doppel- und 14 Einzelzimmern insgesamt einen Reisepreis in Höhe von 16.198,- EUR. Unter Abzug einer bereits geleisteten Anzahlung in Höhe von 1.669,50 EUR waren ausweislich der Rechnung noch 14.528,50 EUR zu zahlen.
Mit Schreiben der Beklagten sowie eines weiteren Mitglieds des Vorstands des [...] e.V. vom 26. März 2020 - bei der Klägerin eingegangen am 27. März 2020 - erklärte die Beklagte der Klägerin gegenüber die "Kündigung" des hier in Rede stehenden Vertrags. Zur Begründung berief sich die Beklagte auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Wegen dieser - so die Beklagte - sei die Durchführung der Konzertreise nach Berlin unmöglich geworden. Die Bundesregierung habe eine weltweite Reisewarnung ausgesprochen. Die WHO habe den Pandemie-Fall ausgerufen. Die Chormitglieder seien wegen der Pandemie ganz besonders gefährdet, weil ein großer Teil der Sängerinnen und Sänger im fortgeschrittenen Alter sei und dadurch zu den sogenannten Hochrisikogruppen gehöre. Außerdem seien einige der jüngeren Chormitglieder als Lehrer oder Pädagogen mit zahlreichen intensiven Sozialkontakten einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt, beziehungsweise könnten eigene Infektionen nicht gänzlich ausschließen. Das gemeinsame Singen im engen Verbund fördere zudem in besonderer Weise die Übertragung des Virus durch Tröpfcheninfektion.
Dies nahm die Klägerin zum Anlass, der Beklagten unter dem 27. März 2020 - ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Stand: 1. Juli 2018) entsprechend - Stornokosten in Höhe von 12.098,80 EUR (entsprechend 85 % des Reisepreises abzüglich der geleisteten Anzahlung) in Rechnung zu stellen. Eine entsprechende Zahlung erfolgte indes nicht.
Die Klägerin ist der Ansicht,
die Beklagte hafte persönlich für die mit der vorliegenden Klage ihr gegenüber geltend gemachte Stornokostenforderung. Diese stehe ihr zu, weil die hier ...