Leitsatz (amtlich)

›Die Streitverkündung an den vom Gericht beauftragten Sachverständigen ist unzulässig. Die Zustellung der Streitverkündungsschrift an diesen Sachverständigen ist rechtswidrig.‹

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Entscheidung vom 18.03.2005; Aktenzeichen 3 O 161/04)

 

Gründe

Dem vorliegenden Beschwerdeverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Kläger ließen als Bauherren durch eine Firma B.. F.... GmbH ein Wohnhaus errichten, an dem sie Mängel rügten.

Mit der Erstellung eines Schiedsgutachtens wurde der Beklagte beauftragt. Sein Gutachten wurde von den Klägern wie auch von der Firma B.. F.... GmbH als unbrauchbar angesehen, was letztere zum Anlass nahm, Mängelbeseitigungsarbeiten nicht vorzunehmen. In einem sich anschließenden Rechtsstreit verlangte der Beklagte von den Klägern Resthonorar. Diese beriefen sich auf die Mangelhaftigkeit des Gutachtens, die von dem in dem genannten Verfahren zum Gerichtsgutachter bestellten Sachverständigen Dipl. Ing. R..... Z......... bestätigt wurde. In dem vorliegenden Rechtsstreit verlangen die Kläger von dem Beklagten Schadensersatz, weil die Firma B.. F.... GmbH inzwischen insolvent geworden ist und die Kläger vorbringen, die Firma B.. F.... GmbH hätte bei ordnungsgemäß erstelltem Schiedsgutachten noch vor dem Eintritt der Insolvenz Mängelbeseitigungsarbeiten durchgeführt. Zum Gerichtsgutachter im jetzigen Rechtsstreit ist wiederum der Sachverständige Dipl. Ing. Z......... bestellt worden. Ihm hat der Beklagte den Streit verkündet, weil er das zu erwartende Gutachten für falsch hält und deswegen im Falle des Prozessverlustes den Sachverständigen auf Schadensersatz in Anspruch nehmen will.

Der Streitverkündungsschriftsatz ist dem Sachverständigen seitens des Gerichts am 7. Februar 2005 zugestellt worden (Bl. 67 GA). Hiergegen hat der Sachverständige unter dem 10. Februar 2005, eingegangen am 12. Februar 2005, Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, "die Zustellung rückgängig zu machen oder zu widerrufen, hilfsweise für unwirksam zu erklären".

Die Einzelrichterin des Landgerichts hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die nach § 568 ZPO zuständige originäre Einzelrichterin hat die Sache gemäß § 568 Abs.1 S.2 ZPO dem Senat in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung zur Entscheidung übertragen.

Das Rechtsmittel ist zulässig und in seinem Hilfsbegehren auch begründet.

Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat auf der Grundlage folgender Darlegungen:

Die Streitverkündung, die einem Sachverständigen in dem Rechtsstreit erklärt wird, in dem er mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt wurde, ist nach Auffassung des Senats unzulässig, was sich aus mehreren Überlegungen ergibt.

Gemäß § 72 ff. ZPO ist die Streitverkündung zunächst die Benachrichtigung eines Dritten von einem anhängigen Prozess, die auf dem Hintergrund erfolgt, dass eine der Prozessparteien geltend macht, im Falle des Prozessverlustes einen Anspruch gegen diesen Dritten erheben zu können oder einem Anspruch seitens dieses Dritten ausgesetzt zu sein. Die mit der Streitverkündung verbundene, unabhängig vom Beitritt oder Nichtbeitritt des Dritten eintretende Nebeninterventionswirkung (§ 74 Abs.3 ZPO) verfolgt zu Gunsten des Streitverkünders den Zweck, dem Dritten in einem seinerseits mit dem Streitverkünder geführten Folgerechtsstreit den Einwand abzuschneiden, der Ursprungsprozess sei unrichtig entschieden oder schlecht geführt worden. Dabei liegt der Sinn des Instituts der Streitverkündung vorrangig darin, die streitverkündende Partei vor einem doppelten Prozessverlust zu bewahren, obwohl sie gemäß der sich im Erstprozess darstellenden Rechtslage infolge der materiellrechtlichen gegenseitigen Abhängigkeit der in beiden Prozessen geltend zu machenden Ansprüche den Folgeprozess gewinnen müsste (Zöller, ZPO, 25.Aufl., § 72 Rn.1; § 74 Rn.7). Da die Nebeninterventionswirkung auch ohne Zutun des Streitverkündeten eintritt, greift sie gemäß § 68 2.Hs. ZPO dann nicht ein, wenn er durch die dort aufgeführten Umstände gehindert war, Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend zu machen.

Im Gegensatz zu diesem Regelungszweck der Streitverkündung ist für den Fall der Streitverkündung an einen im Erstprozess tätigen Sachverständigen bezeichnenderweise festzustellen, dass die oben dargestellten, für den Streitverkünder als Hilfe gedachten Wirkungen der Streitverkündung im Regelfall gar nicht erreicht werden können. Behauptet nämlich eine Partei, sie werde den Prozess verlieren, weil der Sachverständige ein falsches (ihr nachteiliges) Gutachten erstattet, so würde ihr die Streitverkündung gegen den Sachverständigen nur dann helfen können, wenn durch sie dem Sachverständigen verwehrt wäre, in einem Folgeprozess noch vorzubringen, sein Gutachten sei richtig gewesen. Gerade dies ist aber nicht der Fall, denn der Prozessverlust der streitverkündenden Partei kann nur auf der gerichtlichen Feststellung beruhen, dass das Gutachten richtig sei. Dann ist der Sachve...

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