Leitsatz (amtlich)

Ein Anwaltswechsel nach selbstständigem Beweisverfahren ist im allgemeinen nicht notwendig. Für die dadurch verursachten Mehrkosten haftet der Prozessgegner selbst dann nicht, wenn der Rechtsstreit durch Vergleich beendet worden ist. Denn die vergleichsweise Übernahme eines Teils der Kosten in Kenntnis des Anwaltswechsels ist im Regelfall dahin auszulegen, dass nur die notwendigen Kosten übernommen sind.

 

Normenkette

ZPO §§ 91, 104, 485; BGB §§ 133, 157, 779

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 1 O 17/01)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Koblenz vom 20.8.2001 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen den Klägern zur Last.

Der Beschwerdewert beträgt 386,64 Euro (= 756,20 DM).

 

Gründe

Das fristgemäß eingelegte Rechtsmittel ist in der Sache ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung geht zutreffend davon aus, dass die Kläger die anwaltlichen Gebühren, die zu ihren Lasten im selbstständigen Beweisverfahren entstanden sind, nicht neben den Kosten ihrer anwaltlichen Vertretung in der Hauptsache geltend machen können. In dem Nichtabhilfebeschluss vom 20.12.2001 ist das anschaulich und überzeugend dargelegt worden. Dem schließt sich der Senat an:

1. Die Kläger ziehen selbst nicht in Zweifel, dass es grundsätzlich im Interesse einer sparsamen Prozessführung liegt, wenn eine Partei eben den Anwalt mit der Führung eines Rechtsstreits beauftragt, der bereits bei einer vorausgegangenen Beweissicherung für sie tätig geworden ist. Verfährt sie anders und wechselt sie den Bevollmächtigten, handelt es sich bei dem dadurch verursachten Mehraufwand im Allgemeinen nicht um Kosten, die zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Damit scheidet insoweit eine Erstattung durch den in die Prozesskosten verurteilten Gegner aus (§ 91 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 3 ZPO).

Die Auffassung der Kläger, die Erstattungsfähigkeit richte sich im vorliegenden Fall nach anderen Gesichtspunkten, weil die Kostentragung nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung, sondern einer Parteivereinbarung sei, geht fehl. Allerdings haben die Parteien zur Verfahrensbeendigung einen Vergleich geschlossen, in dem es heißt, dass die Beklagte (mit einer Quote von 60 %) für die „Kosten des Rechtsstreits einschließlich derer des selbstständigen Beweisverfahrens” aufzukommen hat. Das betrifft jedoch bei verständiger Würdigung der Verhältnisse (§ 133 BGB) nicht alle tatsächlich erfallenen, sondern grundsätzlich nur die objektiv erforderlichen Kosten. Eine andere Auslegung des Vergleichs (vgl. dazu allgemein OLG Koblenz v. 5.5.1982 – 14 W 243/82, MDR 1982, 854 und Beschl. v. 15.1.1999 – 14 W 39/99 sowie KG v. 19.12.1989 – 1 W 6794/89, MDR 1990, 555 = RPfleger 1990, 224) käme nur im Fall der Äußerung eines entsprechenden übereinstimmenden Parteiwillens in Betracht (OLG Düsseldorf JurBüro 1989, 1127 [1128]; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 98 Rz. 45; Belz in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 98 ZPO Rz. 32; Herget in Zöller, 22. Aufl., § 91 ZPO Rz. 13 Vergleich). Dafür ist jedoch nichts ersichtlich. Der bloße Umstand, dass die Beklagte von der anwaltlichen Mehrvertretung der Kläger wusste, reicht insoweit nicht hin. Es wäre Sache der Kläger gewesen, seinerzeit für eine einvernehmliche Klarstellung in ihrem Sinne zu sorgen. Ihr damaliges Versäumnis wirkt sich nunmehr im Kostenfestsetzungsverfahren zu ihren Ungunsten aus.

2. Denn die anwaltliche Mehrvertretung war objektiv nicht erforderlich. Ein Anwaltswechsel ist nur dann notwendig, wenn er weder von der Partei noch von dem Anwalt verschuldet ist (Belz in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 91 Rz. 29; Wolst in Musielak, 2. Aufl., § 91 ZPO Rz. 22).

Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Freilich mögen die Kläger zu der Ansicht gelangt sein, ihr Bevollmächtigter im selbstständigen Beweisverfahren vertrete sie nicht in bestmöglicher Weise. Sie führen insoweit an, sie hätten nachträglich erfahren, dass die Beklagte früher in einem Anstellungsverhältnis zu ihm gestanden hatte und dass ihr Bevollmächtigter außerdem die Erfolgsaussichten ihrer beabsichtigten Klage negativ beurteilt habe. Aber dabei handelt es sich um Gesichtspunkte, die wenn nicht bereits ihrer eigenen Sphäre, so doch jedenfalls der Sphäre ihres Bevollmächtigten zuzurechnen sind und die deshalb nicht zu Lasten der Beklagten ins Gewicht fallen dürfen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert entspricht der Summe aus der von den Klägern zusätzlich geltend gemachten anwaltlichen Prozessgebühr von 805 DM mit der Erhöhung gem. § 6 BRAGO (eine zweite Beweisgebühr wird nicht mehr in Ansatz gebracht, vgl. den Schriftsatz vom 13.8.2001), der Post- und Telekommunikationspauschale von 40 DM sowie der gesetzlichen Mehrwertsteuer multipliziert mit der die Beklagte treffenden Kostenquote von 60 %.

Kaltenbach Dr. Menzel Weller

 

Fundstellen

Haufe-Index 1107668

Rpfleger 2002, 281

AGS 2002, 164

KammerForum 2002...

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