Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehegattenunterhalt und nachrangige Unterhaltslasten

 

Leitsatz (redaktionell)

Vorwegabzug eheprägender nachrangiger Unterhaltslasten im Rahmen der Bedarfsermittlung beim Ehegattenunterhalt (Zahlung an die in Portugal lebende Mutter und die zur Ausbildung im Inland weilende Nichte)

 

Normenkette

BGB § 1361 Abs. 1 S. 1, § § 1601 ff.; EGBGB Art. 18 Abs. 1 S. 1; AufenthaltsG § 68

 

Verfahrensgang

AG Mainz (Beschluss vom 08.03.2006; Aktenzeichen 31 F 437/05)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - FamG - Mainz vom 8.3.2006 abgeändert.

Dem Antragsteller wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung insoweit bewilligt, als er die Zahlung von Trennungsunterhalt durch die Antragsgegnerin ab 1.9.2005 i.H.v. 873 EUR monatlich und ab 1.1.2006 i.H.v. 730 EUR monatlich verfolgt.

Im Umfang der bewilligten Prozesskostenhilfe wird dem Antragsteller Rechtsanwalt D. in W. beigeordnet.

Der weiter gehende Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die weiter gehende Beschwerde werden zurückgewiesen.

Eine Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird nicht erhoben.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 127 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig; sie hat in der Sache überwiegend Erfolg.

Die - noch nicht zugestellte - Unterhaltsklage bietet in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

Das AG (Bl. 123 f. GA mit Bl. 44-47 d.A. EA I) hat einen Anspruch des - seit 15.11.2002 mit der Antragsgegnerin (geb. 5.3.1969, Portugiesin) verheirateten und seit Juni 2005 von ihr getrennt lebenden - Antragstellers (geb. 25.5.1981; Brasilianer) auf Trennungsunterhalt mit der Begründung verneint, dass die Antragsgegnerin mit Rücksicht auf eheprägende Unterhaltszahlungen für ihre Mutter in Portugal sowie ihre seit September 2003 in den ehedem gemeinsamen Haushalt aufgenommene, zur Ausbildung in Deutschland weilende Nichte nicht leistungsfähig sei.

Dies begegnet - wie der Antragsteller zu Recht rügt - durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Nach der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung lässt sich ein Anspruch des - ggü. den Verwandten der Antragsgegnerin im Mangelfall vorrangigen (§ 1609 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 BGB) - Antragstellers auf Trennungsunterhalt nach dem Maßstab der ehelichen Lebensverhältnisse gem. § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB (i.V.m. Art. 18 Abs. 1 S. 1 EGBGB) ab dem Monat September 2005 nicht verneinen.

a) Die Antragsgegnerin hat - was das AG schon übersehen hat - das Einkommen aus der Erwerbstätigkeit als chemisch-technische Assistentin für 2005 mit (durchschnittlich) 2.260 EUR netto monatlich (Trennungsjahr; Lohnsteuerklasse III) und erst ab Januar 2006 mit 1.909 EUR monatlich (Lohnsteuerklasse I; ohne Berücksichtigung eines etwaigen Realsplittingsvorteils) angegeben; davon geht im Beschwerdeverfahren auch der Antragsteller aus. Unstreitig ist hiervon der berufsbedingte Aufwand pauschal mit 5 % in Abzug zu bringen (Nr. 10.2.1 KoL.).

b) Ein Vorwegabzug wegen der von der Antragsgegnerin seit September 2003 an die Nichte (geb. 19.5.1986; Portugiesin) und seit März 2005 an die Mutter in Portugal als solche erbrachten Unterhaltsleistungen kommt - jedenfalls nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand - nicht in Betracht.

Allerdings ist anerkannt, dass auch - eheprägende - nachrangige Unterhaltslasten, im Besonderen der Elternunterhalt, bei der Bedarfsermittlung vom anrechenbaren Einkommen des Pflichtigen vorab abgezogen werden können, soweit dadurch kein Missverhältnis zum verbleibenden Bedarf des (vorrangigen) Ehegatten entsteht (vgl. BGH v. 19.2.2003 - XII ZR 67/00, MDR 2003, 875 = BGHReport 2003, 735 = m. Anm. Born = NJW 2003, 1660 [1664]). Im Mangelfall entfällt daher stets der Vorwegabzug; bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit des verpflichteten Ehegatten bleiben sodann - was die Unterhaltsberechnung des AG nicht berücksichtigt - die nachrangigen Unterhaltspflichten außer Ansatz (vgl. BGH v. 22.1.2003 - XII ZR 2/00, MDR 2003, 573 = BGHReport 2003, 379 m. Anm. Borth = NJW 2003, 1112 f.; Gerhardt in Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl. 2004, § 4 Rz. 189d, 191; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl. 2004, Rz. 40, 95). Davon gehen auch die unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des OLG Koblenz - Stand: 1.7.2005 - in Nr. 15.1. und 23 aus.

Unbeschadet dessen muss es sich im Grundsatz aber um den kraft Gesetzes geschuldeten Unterhalt und nicht lediglich um eine freiwillige (vertragliche) Leistung handeln (Gerhardt in Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl. 2004, § 4 Rz. 190; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl. 2004, Rz. 1013). Für diesen Fall setzt sich - wovon auch Nr. 15.1. KoL ausgeht - der Vorrang des Ehegatten bereits bei der Bedarfsbemessung durch. Ob dies auch dann gilt, wenn d...

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