Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen einer Verbleibensanordnung.

2. Im Rahmen der Prüfung, ob durch die Herausnahme des Kindes aus der Pflegefamilie das Wohl des Kindes gefährdet würde, ist auch je nach Reife und Verständnis der Wille des Kindes zu beachten.

3. Entspringt die Ablehnung des Kindes seinem wahren Willen, so kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob dieser Wille gar durch eine gezielte Beeinflussung entwickelt worden ist.

4. Dem Vermerk über die persönliche Anhörung des betroffenen Kindes in einer Kindschaftssache kommt als öffentliche Urkunde volle Beweiskraft hinsichtlich der Richtigkeit der in ihm festgehaltenen Umstände und Vorgänge zu.

5. Eine Videoaufzeichnung der Anhörung des betroffenen Kindes in einer Kindschaftssache ist unzulässig.

6. Eine Verbleibensanordnung in Gestalt der Anordnung einer Rückführung des betroffenen Kindes kann nur dann (noch) ergehen, wenn im Zeitpunkt der über den entsprechenden Antrag zu treffenden Entscheidung nach wie vor ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zur Herausnahme der Kinder aus sem Hauhalt der Pflegeperson besteht.

7. Ein Verfahrensbeistand kann grundsätzlich nicht wegen der Art und Weise, in der er seine Tätigkeit ausübt, entlassen werden.

 

Normenkette

BGB § 1632 Abs. 4; FamFG § 28 Abs. 4, § 158 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Trier (Entscheidung vom 16.03.2018; Aktenzeichen 37 F 362/16)

 

Tenor

Die gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Trier vom 16. März 2018 gerichtete Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um den Vater der Kinder [...] und [...]. Deren Mutter wurde [...] durch ihren damaligen Lebensgefährten mittels eines Messers getötet. Bei der Tötung war auch der Antragsgegner anwesend; er wurde hierbei schwer verletzt.

Nachdem sich in der Folge herausgestellt hatte, dass der Antragsgegner aufgrund des traumatischen Erlebnisses in eine psychische Krise geraten und mit der Situation überfordert war, wurden beide Kinder im Januar 2014 im Rahmen eines Pflegeverhältnisses bei der Antragstellerin untergebracht. Der Antragsgegner war mit dieser Maßnahme einverstanden; er hat nach wie vor die (alleinige) elterliche Sorge für [...] und [...] inne.

Im Dezember 2016 wurde dem Stadtjugendamt [...] gegenüber seitens der behandelnden Kinderärztin der Verdacht einer körperlichen Misshandlung der Kinder durch die Antragstellerin geäußert. Dies wurde seitens des Jugendamts zum Anlass genommen, die Kinder am 13. Dezember 2016 zur Abwehr einer möglichen Kindeswohlgefährdung aus dem Haushalt der Antragstellerin herauszunehmen und zunächst stationär im Krankenhaus unterzubringen. Am 23. Dezember 2016 wurden sie dann im Kinderheim [...] untergebracht, wo sie sich seitdem bis zum heutigen Tage - mit Einverständnis des Antragsgegners - aufhalten.

Die Antragstellerin hat mit einem am 21. Dezember 2016 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz das vorliegende Verfahren eingeleitet. Insoweit hat sie zunächst die Anordnung des Verbleibs der Kinder [...] und [...] gemäß § 1632 Abs. 4 BGB bei ihr begehrt. Auf dieser Grundlage hat sie dann zuletzt

eine sofortige Rückführung der Kinder in ihren Haushalt

beantragt.

Diesen Antrag hat das Familiengericht nach mehrfacher Anhörung der Kinder - zuletzt am 27. November 2017 - und Beweisaufnahme mit Beschluss vom 16. März 2018 zurückgewiesen. Gegen diese ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 21. März 2018 und ihr selbst am 23. März 2018 zugestellte Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mittels mehrerer Schriftsätze - sowohl eigener als auch solcher ihres Verfahrensbevollmächtigten -, insbesondere mittels eines mit "BESCHWERDE" überschriebenen und am 20. April 2018 beim Amtsgericht eingegangenen Telefaxes vom 19. April 2018 (Bl. 1199 ff. d.A.).

Zur Begründung moniert sie im Wesentlichen eine unzureichende und auch im Übrigen fehlerhafte Sachverhaltsermittlung seitens des Familiengerichts, eine rechtswidrige Beendigung des hier in Rede stehenden Pflegeverhältnisses sowie eine mit der Herausnahme der Kinder aus ihrem Haushalt und deren Unterbringung im Kinderheim [...] verbundene vermeintliche Kindeswohlgefährdung. Der geäußerte Wille der Kinder sei in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Das Familiengericht habe mit der Inobhutnahme und Unterbringung der Kinder vom Dezember 2016 letztlich ein "Staatsverbrechen" im Sinne eines staatlichen Kindesraubs - eines nachweislich vorsätzlich begangenen staatlichen Verbrechens der Entziehung Minderjähriger, der Verschleppung, der Aussetzung, des Menschenraubs und der Freiheitsberaubung im Amt - gebilligt. Zudem habe der Verfahrensbeistand wegen seiner Ungeeignetheit entpflichtet werden müssen.

Wegen der weiteren Sachverhaltsdarstellung wird ergänzend auf den gesamten Inhalt der vorliegenden Verfahrensakten, insbesondere auf die angefochtene Entscheidung des Familiengerichts vom 16. Mär...

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