Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Zwangsmittel gegen Gerichtsgutachter bei nicht nachweisbarem Empfang der Akten; Beweiskraft des Auslieferungsbelegs eines Paketdienstes - hier: DHL

 

Leitsatz (amtlich)

1. Maßnahmen nach § 409 Abs. 1 ZPO gegen einen Gerichtssachverständigen erfordern den sicheren Nachweis, dass er den Auftrag und die für seine Erfüllung benötigten Akten erhalten hat.

2. Dem Beleg eines Paketdienstes über die Auslieferung der Sendung kann nicht in entsprechender Anwendung von §§ 415 ff. ZPO erhöhte Beweiskraft beigemessen werden. Der Beweiswert derartiger Auslieferungsbelege ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls nach § 286 ZPO frei zu würdigen (hier verneint).

3. Die Anwaltskosten eines gerichtlichen Sachverständigen im erfolgreichen Beschwerdeverfahren nach § 409 Abs. 2 ZPO hat nicht die Staatskasse zu tragen.

 

Normenkette

ZPO §§ 286, 291, 380, 371a, 402, 404a, 407a, 409, 415-416, 416a; JVEG § 7

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 17.12.2013; Aktenzeichen 10 O 95/11)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Sachverständigen Professor Dr. H. wird der Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Koblenz vom 17.12.2013 aufgehoben.

 

Gründe

Der gerichtliche Sachverständige wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen einen Kosten- und Ordnungsgeldbeschluss des LG. An den Beschwerdeführer waren mit Auftragsschreiben der Kammervorsitzenden vom 16.11.2012 Akten gesandt worden zur Erstellung eines ergänzenden Gutachtens. Man bat den Sachverständigen um "Auftragsbestätigung".

Nach der später eingeholten Auskunft des DHL - Paketdienstes ist die Akte am 21.11.2012 an "B." ausgeliefert worden. Eine Mitarbeiterin dieses Namens war seinerzeit in der Praxis des Sachverständigen als Helferin tätig.

Am 11.1.2013 ordnete die Kammervorsitzende an, beim Sachverständigen telefonisch wegen der erbetenen Auftragsbestätigung nachzufragen. Als das ohne Ergebnis blieb, erinnerte die Geschäftsstelle des LG schriftlich, "damit der Erhalt der Akte bestätigt ist" (Bl. 239 GA). Der Sachverständige antwortete per Fax am 12.2.2013

"In unserer Praxis keine Akte eingegangen".

Mit Schreiben vom 19.7.2013 forderte die Kammervorsitzende den Sachverständigen auf, die Akten nebst Ergänzungsgutachten dem Gericht zurückzusenden. Der Sachverständige antwortete, sein Erstgutachten habe er bereits im April 2012 übersandt. Seither sei es "nicht mehr bei ihm aufgetaucht".

Durch Beschluss vom 9.10.2013 ordnete das LG die Herausgabe der Akten binnen 10 Tagen an.

Daraufhin teilte die vom Sachverständigen zunächst beauftragte Rechtsanwältin mit, erst der der Beschluss vom 9.10.2013 habe ihrem Mandanten verdeutlicht, dass Frau B. das Paket angenommen habe; sie sei nicht mehr in der Praxis beschäftigt; das Paket und sein Inhalt nicht auffindbar. Später teilte die Bevollmächtigte mit, die zwischenzeitlich befragte Frau B. könne sich an die konkrete Akte nicht erinnern, deren Herausgabe mangels Auffindbarkeit nicht möglich sei.

Das führte zu dem nunmehr angefochtenen Beschluss, durch den dem Sachverständigen neben den "durch die Nichtherausgabe entstehenden Kosten" auch ein Ordnungsgeld von 800 EUR auferlegt worden ist.

Mit seiner sofortigen Beschwerde behauptet der Sachverständige, die Akte sei nicht in seiner Praxis eingetroffen. Bei Frau B. habe es sich um eine zuverlässige Mitarbeiterin gehandelt. Dass sie das Paket in Empfang genommen habe, sei auszuschließen, da die Unterschrift auf dem DHL - Empfangsbekenntnis keinerlei Ähnlichkeit mit der Unterschrift der Frau B. habe. Möglicherweise habe der DHL - Mitarbeiter, dem Frau B. als Empfangsberechtigte bekannt gewesen sei, oder eine andere Person den Namen B. in das Empfangsbekenntnis eingetragen und die Unterschrift gefälscht. Jedenfalls stehe gesichert fest, dass das Paket nicht in der Praxis angekommen sei.

Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Durch das DHL - Empfangsbekenntnis sei in analoger Anwendung von § 415 ff. ZPO bewiesen, dass die Akte in den Herrschaftsbereich des Sachverständigen gelangt und dort seiner Mitarbeiterin, Frau B., ausgehändigt worden sei. Sein gegenläufiges Vorbringen in der Beschwerde habe der Sachverständige nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere fehle eine eidesstattliche Versicherung der Frau B.. Richtig sei zwar, dass die Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis von der Unterschrift der Frau B. abweiche. Wie jedoch gerichtsbekannt sei, werde der Empfang von Paketsendungen heute auf dem Display elektronischer Geräte quittiert; die dort geleisteten Unterschriften wichen sehr häufig deutlich von handschriftlichen Unterschriften ab.

Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 409 Abs. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der Zweiwochenfrist eingelegt, die ungeachtet der fehlenden Rechtsmittelbelehrung (§ 232 Satz 2, letzter Halbsatz ZPO) mit der am Mittwoch, dem 29.1.2014 an die ehemalige Bevollmächtigte des Sachverständigen bewirkte Zustellung zu laufen begann.

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, w...

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