Leitsatz (amtlich)

Folgt einer Beweisaufnahme vor der mündlichen Verhandlung (§ 358a ZPO) eine gerichtliche Terminsbestimmung, die jedoch durch Klagerücknahme gegenstandslos wird, entsteht keine anwaltliche Terminsgebühr, weil die Ausnahmeregelungen der 3104 RVG-VV auf diesen Sachverhalt nicht entsprechend anwendbar sind.

 

Normenkette

RVG § 2 Abs. 2 S. 1; RVG-VV Nr. 3104; ZPO § 358a

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 19.04.2007; Aktenzeichen 10 O 57/05)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Koblenz vom 19.4.2007 wird kostenfällig zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 2.593,25 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat den Beklagten wegen behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung eines ihrer Mitglieder in Anspruch genommen.

Nach Anordnung einer Beweiserhebung gem. § 358a ZPO und Einholung eines Sachverständigengutachtens hat die Klägerin die Klage zurückgenommen. Zu einem Verhandlungstermin ist es deshalb nicht mehr gekommen.

Der Beklagte hat vergeblich die Festsetzung der 1,2 Terminsgebühr begehrt und sich dazu auf eine analoge Anwendung von VV 3104 Abs. 1 Ziff. 1 RVG berufen. Das LG hat dies mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Auf die Erwägungen der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen (§ 540 ZPO). Ergänzend:

Die Parteien und die Rechtspflegerin gehen übereinstimmend davon aus, dass der Wortlaut von VV 3104 Abs. 1 Ziff. 1 RVG die Festsetzung einer Terminsgebühr nicht trägt.

Der Anwalt des Beklagten hat weder an einem Termin zur mündlichen Verhandlung noch etwa an einem vom Sachverständigen anberaumten Termin teilgenommen. Der nach Eingang des Gutachtens bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wurde aufgehoben, weil die Klägerin zuvor die Klage zurücknahm. Die in VV 3104 Abs. 1 Ziff. 1 RVG geregelten 4 Ausnahmefälle, in denen die Terminsgebühr auch ohne Termin anfällt, liegen ersichtlich nicht vor.

Die vom Beklagten gewünschte analoge Anwendung auf die vorliegende Fallgestaltung scheitert daran, dass eine "planwidrige Regelungslücke" fehlt. Die Ausführungen der Beschwerde zu den gesetzlichen Intentionen bei der Abschaffung der Beweisgebühr und der Einführung der Terminsgebühr sind zwar weitgehend zutreffend, rechtfertigen aber eine Ausdehnung der VV 3104 Abs. 1 Ziff. 1 RVG über den Wortlaut hinaus nicht.

Dagegen spricht, dass der Gesetzgeber bewusst für vier konkret bezeichnete Fallkonstellationen, entgegen der Regel, den Anfall der Terminsgebühr ausnahmsweise vorsieht. Dem Gesetzgeber musste bei der Neuregelung bekannt sein, dass eine Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung ergehen können, wie z.B. Verweisungs-, Aufklärungs- und Beweisbeschlüsse, Anordnungen (auch Beweisanordnungen) nach §§ 138, 141, 273, 425 ZPO, Beschlussentscheidungen im einstweiligen Rechtschutz, nach § 91a ZPO oder auch § 522 ZPO. Alle diese zur normalen gerichtlichen Sachleitung gehörenden, die Streitentscheidung vorbereitenden oder sogar abschließenden Anordnungen und Entscheidungen können "an der Terminsgebühr vorbei" getroffen werden. Wenn der Gesetzgeber in diesem Wissen nur einige wenige Fälle konkret davon ausnimmt, verbietet sich die Annahme einer "planwidrigen Regelungslücke, die durch analoge Anwendung geschlossen werden könnte.

Im Übrigen erscheint es auch sinnvoll, eine Partei kostenmäßig günstiger zu stellen, die aus einem für sie negativen Gutachten die Einsicht einer Klagerücknahme zieht, statt eine mündliche Verhandlung zu erzwingen (§ 411 ZPO).

Die Beschwerde ist mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1888384

JurBüro 2008, 196

ZAP 2008, 190

ZAP 2008, 478

AGS 2008, 69

NJW-Spezial 2008, 91

RENOpraxis 2008, 109

RENOpraxis 2008, 43

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