Entscheidungsstichwort (Thema)

Tankstellenverwaltervertrag. Sittenwidrikeit bei Mithaftung des Eheagtten

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage, ob eine Sittenwidrigkeit bei Bürgschafts- und Mithaftungsverträgen vorliegt, hängt entscheidend vom Grad des Missverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des Bürgen oder Mitverpflichteten ab. Von einer Sittenwidrigkeit eingegangener Kreditverträge kann nicht ausgegangen werden, wenn der in Anspruch genommene Ehegatte aufgrund der Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft selbst ein eigenes sachliches und persönliches Interesse an der Eingehung der Verbindlichkeit hat. Von einem solchen Interesse kann ausgegangen werden, wenn der Ehemann die Tankstelle zu 90 % selbst betrieben und er daher ein eigenes Interesse an der Eingehung des Tankstellenverwalter- bzw. Agenturvertrages hatte (in Anknüpfung an Senatsbeschluss vom 22.9.2003 - 10 W 355/03; OLG Koblenz, Urteil vom 21. Juni 2002 - 10 U 1116/01).

 

Normenkette

BGB § 138

 

Verfahrensgang

LG Trier (Entscheidung vom 01.12.2009; Aktenzeichen 5 O 59/09)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier - Einzelrichter - vom 01. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

I. Die Beklagte zu 1. hatte unter der Anschrift ... Ü. eine Tankstelle betrieben und von der Klägerin Kraftstoffe bezogen, für die die Klägerin aus der Geschäftsbeziehung eine Forderung in Höhe von 119.041,18 € geltend macht. Die Forderung war durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft der Eltern der Beklagten zu 1. bis zum Höchstbetrag von 50.000 € gesichert.

Mit einem Tankstellenverwaltervertrag vom 10.09.2007 stellten die Parteien ihre Geschäftsbeziehung auf eine neue Grundlage. Der Beklagte zu 2., Ehemann der Beklagten zu 1., übernahm eine Mitverpflichtung für die Rückführung der Schuld und die Erfüllung des neu geschlossenen Vertrags.

Die Beklagten verkauften fortan die Kraftstoffe der Klägerin auf deren Rechnung im eigenen Namen. Dafür wurde eine Provision von 3 Cent pro Liter Kraftstoff vereinbart. Die Provision wurde aber nicht ausgezahlt, sondern zur Tilgung der auf einem so genannten Abzahlungskonto gebuchten Schuld verwendet. Diese wurde nach Verrechnung des Kraftstoffbestands mit 103.527,63 € festgestellt. Die Beklagten sollten zusätzlich ab 01.01.2008 Tilgungsleistungen in Höhe von 1.000 € und ab 01.04.2008 in Höhe von 2.000 € im Monat leisten.

Ende Oktober 2008 gaben die Beklagten den Betrieb der Tankstelle auf, nachdem der Erbpachtvertrag mit dem Grundstückseigentümer ausgelaufen war.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Zahlung des am 31.10.2008 auf dem so genannten Abzahlungskonto bestehenden Saldos von 61.438,49 €. In Höhe weiterer 70.227,81 € nimmt sie die Beklagten auf Zahlung des Saldos per 18.11.2008 auf dem so genannten Agenturkonto in Anspruch. Dabei handelt es sich um die Beträge, die die Beklagten aus den laufenden Kraftstoffverkäufen eingenommen hatten.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 131.666,30 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.12.2008 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen und ihnen für die Verteidigung gegen die Klage Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Sie halten den Vertrag vom 10.09.2007 für sittenwidrig und nichtig. Die Klägerin habe die Zahlungsunfähigkeit der Beklagten zu 1. gekannt, da weitere Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern in Höhe von 127.600 € zur Sprache gekommen seien. Der Beklagte zu 2. sei lediglich aus emotionaler Verbundenheit mit der Beklagten zu 1. ihren Verpflichtungen beigetreten.

II. Das Landgericht hat zu Recht den Beklagten die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweigert, weil ihre Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO). Der Tankstellenverwalter- bzw. Agenturvertrag (K 2, GA 22) ist nicht sittenwidrig. Die Beklagte zu 1) schuldete der Klägerin am 10.09.2007 119.041,18 €. Mit dem Tankstellenverwaltervertrag sollte ein Abzahlungs- und Agenturkonto eingerichtet werden. Es ist im Hinblick auf den erheblichen Umfang der aufgelaufenen Schulden nicht ersichtlich, inwiefern der Abschluss des Tankstellenverwalter- bzw. Agenturvertrages im Verhältnis zu der Beklagten zu 1) sittenwidrig sein sollte. Der Beklagten zu 1) wurde die Möglichkeit eingeräumt, die erheblichen Schulden über einen langsamen Zeitraum zu tilgen. Die andere Konsequenz wäre gewesen, dass die Klägerin anstatt des Abschlusses des Agenturvertrages die Gesamtforderung sofort fällig gestellt hätte und nebst Zinsen einer Titulierung zugeführt hätte. Der Abschluss des Agenturvertrages bot der Beklagte zu 1) zumindest die Chance, die Schulden, wenn auch langsam, zurückzuführen. Die Beklagte zu 1) musste in eigener Verantwortung darüber befinden, ob die ihr verbleibenden Einahmen aus dem Tankstellengeschäft zur Deckung ihres Lebensunterhalts ausreichten. Darüber hinaus diente der Absch...

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