Entscheidungsstichwort (Thema)

Terminsverlegung. Terminsverlegungsantrag. Beschwerde. Zulässigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

§ 305 Satz 1 StGB steht der Beschwerde des Angeklagten gegen die Ablehung einer Verlegung des Termins zur Berufungshauptverhandlung nicht entgegen, wenn gegen das Berufungsurteil gem. § 55 Abs. 2 JGG kein Rechtsmittel mehr statthaft ist.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Entscheidung vom 10.02.2011)

 

Tenor

Die Beschwerde des Angeklagten gegen die Verfügung der Vorsitzenden der 7. Strafkammer - Jugendstrafkammer - des Landgerichts Koblenz vom 10. Februar 2011 wird als unbegründet verworfen.

Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten und Auslagen des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

 

Gründe

I.

Der Jugendrichter des Amtsgerichts Altenkirchen hat den Angeklagten durch Urteil vom 20. Oktober 2010 wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen (Tatzeiten: 26. und 27. Juni 2009) zu einem Jugenddauerarrest von drei Wochen verurteilt. Gegen das Urteil hat der erstinstanzlich durch einen anderen Rechtsanwalt verteidigte Angeklagte mit Schriftsatz seines neuen Verteidigers vom 22. Oktober 2010 Berufung eingelegt. Nachdem der Berufungskammer die Akten unter dem 28. Januar 2011 zugeleitet worden waren, hat die Vorsitzende der Berufungskammer am 2. Februar 2011 Hauptverhandlungstermin auf den 28. April 2011 bestimmt und die Ladung von sechs Zeugen veranlasst.

Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2011 hat der Verteidiger beantragt, den Termin zu verlegen, da er sich am Terminstag in Urlaub befinde. Die Strafkammervorsitzende hat den Terminsverlegungsantrag mit Verfügung vom 10. Februar 2011 abgelehnt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit der Beschwerde, der die Vorsitzende der Strafkammer durch Verfügung vom 24. Februar 2011 nicht abgeholfen hat.

II.

Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Die Beschwerde des Angeklagten gegen die Ablehnung der Terminsverlegung ist im vorliegenden Fall ausnahmsweise zulässig. Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht § 305 Satz 1 StPO nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift unterliegen Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, allerdings nicht der Beschwerde.

Ob die Ablehnung des Antrags auf Verlegung eines Hauptverhandlungstermins mit der Beschwerde anfechtbar ist oder die Anfechtbarkeit nach § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen ist, weil sie in einem inneren Zusammenhang mit der Endentscheidung steht und dieser notwendig vorausgeht, ist umstritten (vgl. zum Streitstand: Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. § 213 Rdnr. 8 m.w.N.). Der Senat erachtet sie in ständiger Rechtsprechung nur dann für zulässig, wenn die Entscheidung des Vorsitzenden objektiv willkürlich ist oder das Ermessen grob rechtsfehlerhaft ausgeübt worden ist (Senat, Beschlüsse 1 Ws 1269, 1270/01 vom 23.10.2001 und 1 Ws 342/04 vom 02.06.2004; ebenso OLG Koblenz, 2. Strafsenat, Beschlüsse 2 Ws 575/04 vom 17.09.2004, 2 Ws 28, 69 - 73/08 vom 20.02.2008 und 2 Ws 64/09 vom 16.02.2009). Die Ausnahmevorschrift des § 305 StPO ist aber im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Zweck des § 305 Satz 1 StPO ist es, Verfahrensverzögerungen zu verhindern, die eintreten würden, wenn Entscheidungen der erkennenden Gerichte sowohl auf eine Beschwerde als auch auf das Rechtsmittel gegen das Urteil überprüft werden müssten (s. § 336 Satz 1 StPO; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. § 305 Rdnr.1). Diesem Zweck entsprechend greift § 305 Satz 1 StPO deshalb dann nicht ein, wenn dem Angeklagten ein Rechtsmittel gegen das Urteil nicht zusteht (vgl. OLG Hamm NStZ 1986, 328 ≪329≫; Meyer-Goßner a.a.O.) oder wenn dem Angeklagten zwar ein Rechtsmittel gegen das Urteil zusteht, die betroffene Entscheidung aber im Rahmen dieses Rechtsmittels nicht überprüft werden kann (Senat, Beschluss 1 Ws 501/05 vom 16.08.2005). In einem derartigen Fall besteht keine "Konkurrenzsituation" zwischen dem Rechtsmittel in der Hauptsache und der Beschwerde, die deren Ausschluss rechtfertigen könnte.

So liegt der Fall hier. Der Angeklagte hat gegen die erstinstanzliche Verurteilung Berufung eingelegt. Er kann gemäß § 55 Abs. 2 JGG gegen das Berufungsurteil nicht mehr Revision einlegen und die Ablehnung des Terminsverlegungsantrags zur Nachprüfung im Revisionsverfahren stellen. Nur durch die Zulassung der Beschwerde kann ihm effektiver Rechtsschutz gewährt werden.

2.

Die somit zulässige Beschwerde des Angeklagten ist jedoch unbegründet. Die angefochtene Entscheidung entspricht der Sach- und Rechtslage. In dem vom Erziehungsgedanken beherrschten Jugendstrafverfahren gilt das Gebot besonders beschleunigter Bearbeitung. Dem Angeklagten ist ohne weiteres zumutbar, einen anderen Rechtsanwalt zu beauftragen. Ein besonderes Vertrauensverhältnis des Angeklagten zu Rechtsanwalt ... ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 JGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3957460

NStZ-RR 2012, 21

NJW-Spezial 2011, 602

StRR 2011, 366

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